Rechtsextreme in der Bundeswehr: Soldaten, Hakenkreuze und NS-Lieder
62 Soldat:innen wurden 2023 auf Grund rechtsextremistischer Bestrebungen entlassen. Das ergab eine Anfrage der Linken.
Von 1.049 extremistischen Verdachtsfällen im Jahr 2023 rechnet das Ministerium 916 Fälle dem Rechtsextremismus in ihrem Jahresbericht zu. Hier wird – so wie auch in den Berichten des Verfassungsschutz – unterschieden zwischen den Phänomenbereichen „Rechtsextremismus“ (776 Verdachtsfälle), sogenannten „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ (62), sowie „verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung des Staates“ (22). Die letzte Kategorie führten die Behörden im Jahr 2021 in Reaktion auf die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen ein.
In den letzten Jahren machten wiederholt rechtsextreme Vorfälle von aktuellen und ehemaligen Bundeswehrsoldaten und Reservisten Schlagzeilen, auch durch Recherchen der taz, etwa zur Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ um dem sogenannten „Hannibal-Netzwerk“. Kopf des Netzwerks war der ehemalige KSK-Soldat André S. Auch der inzwischen verurteilte ehemalige Bundeswehroffizier Franco A. gehörte dazu. Er gab sich als syrischer Geflüchteter aus und plante Terroranschläge. Die Gruppe „Nordkreuz“ bereitete sich auf einen sogenannten „Tag X“ vor. Dafür machte die Gruppe Schießübungen, hortete Munition und Waffen. Auch Leichensäcke waren schon bestellt.
In der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion findet sich auch eine Auflistung der in der Bundeswehr gemeldeten rechtsextremistischen, rassistischen oder antisemitischen Vorfälle im Jahr 2023. Sie reichen von Volksverhetzung, Holocaustverharmlosung bis NS-Glorifizierung durch „Hitlergrüße“ oder das Singen von verbotenen Liedern der SS. Gemeldet wurden auch Vorfälle, bei denen Soldaten Hakenkreuze oder SS-Runen auf Wände schmierten.
In der Antwort der Bundesregierung wird auch auf die Zahl der abgelehnten Bewerber*innen verwiesen. 94 Bewerber*innen wurden auf Grund von „Zweifeln an der Verfassungstreue“ erst gar nicht in die Reihen der Bundeswehr aufgenommen, teilte das Ministerium mit. Die Abgeordnete Martina Renner der Linksfraktion geht davon aus, dass rechtsextreme, rassistische und antisemitische Einstellungen von der Bundeswehr inzwischen als Gefahr erkannt werden.
Renner hofft, dass die Sensibilität in der Bundeswehr dafür steigt: „Es ist wichtig, der Gefahr durch militärisch ausgebildete Rechtsextremisten auch in der Zukunft entgegenzutreten.“ An den reinen Zahlen lasse sich nicht viel ablesen. Das Dunkelfeld sei vermutlich deutlich größer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour