Rechtsextreme in Berlin: Nazis hängen am Henker
Rechte protestieren gegen die geplante Schließung der Kneipe "Zum Henker" vor der BVV Treptow-Köpenick
Eine Gruppe von rund 30 Neonazis hat am Donnerstagnachmittag vor der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Treptow-Köpenick im Ortsteil Plänterwald für den Erhalt der Nazikneipe "Zum Henker" demonstriert. Zu Musik aus einem Lautsprecherwagen skandierten sie Parolen und propagierten auf einem Transparent den "nationalen Angriff". Die Kundgebung, die ein massives Polizeiaufgebot vor der BVV zur Folge hatte, stand unter dem Motto: "Zum Henker mit den Demokraten".
Anlass war eine Bürgerfragestunde: Warum der Bezirk Treptow-Köpenick ein "erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen" zu schließen beabsichtige, wollte Paul Stuart Barrington wissen. Immerhin beschäftige er Langzeitarbeitslose, zahle Steuern, habe ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn und tue alles Menschenmögliche, um Straftaten seiner Gäste zu verhindern. Die Frage musste vorab schriftlich eingereicht werden.
Barrington ist kein gewöhnlicher Unternehmer, sondern Betreiber der Kneipe "Zum Henker" im Ortsteil Schöneweide. Er war für die inzwischen geschlossene Website www.SS88.de verantwortlich und wurde wegen deren Inhalten zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Den "Henker" wollen die Bezirksverordneten der demokratischen Fraktionen durch das Bezirksamt schließen lassen. So steht es in einem fraktionsübergreifenden Antrag. Die Kneipe ist laut Verfassungsschutz ein "Kristallisationspunkt der aktionsorientierten rechtsextremistischen Szene Berlins" und diene als Ausgangspunkt für rechte Demonstrationen.
NPD-Chef Udo Voigt, der Bezirksverordneter in Treptow-Köpenick ist, hatte auf der Website seiner Fraktion zu der Kundgebung und zur Teilnahme an der BVV mobilisiert. Seine Anhänger sollten kommen, um sich "von der Intoleranz des Bezirks gegen nationale Deutsche" zu überzeugen. Laut Voigt solle der Bezirk über ein Lokal froh sein, das "Arbeit anbietet und für viele junge nationale Deutsche eine soziale Anlaufstelle ist." Laut dem Rechtsextremismusspezialisten der Linken, Hans Erxleben, stellte sich Voigt damit erstmals persönlich hinter die Kneipe.
Demonstration und BVV-Fragestunde dauerten bei Redaktionsschluss an. In die Sitzung dürften es die Nazis nicht geschafft haben: Wie Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus berichtete, war der Saal bis auf den letzten Stehplatz von engagierten Bürgern besetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“