Rechte Hooligans kümmern sich um die Jugend: Schokolade vom Nazi-Rocker
Zu einer Charity-Aktion im Jugendhaus Hemelingen kamen im Dezember Rocker des „MC Legion“. Ein Klub mit rechten Tendenzen – eine Mischung, die zunimmt.
Angekündigt hatten sie sich als wohltätige Gruppe von Familienvätern: Als am 6. Dezember 2013 zwei stämmige Rocker als Nikolausmänner verkleidet und begleitet von einem Dutzend breitschultriger Biker ins Jugendhaus Hemelingen stapfen, ahnt man dort noch nicht, mit wem man es zu tun hat. Die Männer verteilen Schokoladen-Nikolause und Geschenke. All das aber ist kein vorweihnachtliches Privatvergnügen, auf ihren Klamotten prangt der Schriftzug: „Legion Bremen“. Es ist eine Charity-Aktion des jungen Rockerklubs „MC Legion“, der als Nachfolge-Organisation der Hells Angels gehandelt wurde. Unter den Rocker-Gästen ist auch ein rechter Hooligan. Das berichtet nun die Website „Blick nach rechts“.
Der Rockerklub MC Legion bezog im Frühjahr 2013 sein Klubhaus in Brinkum, offene Klubabende sind seitdem gut besucht – und werden von der Polizei beobachtet. Denn die fürchtete nach der Auflösung des Bremer Hells-Angels-Charters im Sommer 2012 die Ausbreitung der Figuren ins Umland – unter anderem Namen. Eine Vorfeld-Organisation der Hells Angels in Kiel trägt den Namen „Legion 81“. Bislang jedoch kann die Polizei in Diepholz keine Bestrebungen einer Hells-Angels-Nachfolge ausmachen, ebenso wenig wie Kontakt zur Neonazi-Szene.
Den aber gibt es: Auffälligste Figur unter den Legion-Rockern ist Stefan A.. Er wird den Neonazis-Hooligans der „Standarte Bremen“ zugeordnet und zählte bis zur Auflösung zum engen Umfeld des Bremer Hells-Angels-Charters, obgleich er es dort nie zu einem Vollmitglied schaffte. A. betreibt einen Stretchlimousinen-Service – einer seiner Fahrer, Matthias Schulz aus Verden, war ehemaliger NPD-Kreisvorsitzender. Anhänger des MC Legion engagieren sich für die rechte Bürgerinitiative „Wir sind Daniel“, die den Mord an dem 21-jährigen Daniel S. in Kirchweyhe für xenophobe Propaganda missbraucht.
Warnungen kommen von der Bremer Beratungsstelle „Pro aktiv gegen rechts“. „Wir raten, im Umgang mit der Legion Bremen sehr, sehr vorsichtig zu sein“, sagt Fabian Jellonnek. „Der Sprachgebrauch auf der Website deutet auf eine rechte Ecke hin.“ – Die Homepage etwa heiße „Heimatseite“, in den Gästebüchern sei vom Germanen-Gott Odin die Rede, es werde sich zum Julfest, der bei Neonazis beliebten nordischen Weihnachts-Alternative, gratuliert.
Die Beratungsstelle nahm deshalb bereits Anfang 2014 Kontakt zum Jugendhaus in Hemelingen auf. Deren Leiter, Faro Tuncel, ist erschüttert, als er Näheres über die Rocker erfährt. Bis dahin ahnte er nichts: „Es war ein netter, harmloser Nachmittag, die hatten ihre Familien dabei, haben Tee getrunken.“ Etwa 30 Kinder waren da. Das Haus sei auf Spenden angewiesen, es herrsche ein Migrationsanteil von 85 Prozent. „Wir fördern Integration und eine gutes Miteinander“, so Tuncel. Von den Rockern der Legion distanziert er sich. „Wir würde das mit dem Wissensstand heute nicht mehr machen.“ Ihm ist wichtig, dass der Fall zeige, dass man noch sensibler für das Thema werden müsse. Und er fragt sich, welchen Hintergrund die Aktion hatte.
Dass Rocker sich auch durch Wohltätigkeits-Aktionen ein sauberes, bürgerliches Image verpassen, ist nicht neu. Die Vermischung von Rocker und Neonazi-Szenen nimmt dabei zu und ist in Bremen besonders ausgeprägt. Erst vor ein paar Tagen feierte Jens Brandt, Mitglied der Rechtsrock-Band „Endstufe“, seine Hochzeit – und zwar, so berichtet „Blick nach rechts“, im Haus des Motorradklubs „Wild Vikings“ in Findorff. Die Rocker zählen sich selbst zu den „One Percentern“, den Outlaw Motorcycle Gangs, die sich außerhalb des Gesetzes sehen. Unter den Hochzeitsgästen: Steffen R., ein laut Bremer Antifa ehemaliges Mitglied der lokalen neonazistischen „Hammerskin Nation“, Mitgründer der einstigen FAP-Ortsgruppe und heute nach eigenen Angabe Vollmitglied beim Rockerklub „MC Blazes“. Sowie: Stefan A., von den Wohltätigkeits-Rockern des „MC Legion“.
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