Recht auf Wohnen: EGMR verurteilt Frankreich
Trotz eines Urteils wurde einer Frau keine Wohnung zugewiesen. Das Menschenrechtsgericht befand: das Recht der Klägerin auf ein faires Verfahren wurde verletzt.
STRAßBURG afp | Weil der französische Staat einer Frau trotz eines Gerichtsurteils keine Wohnung zuwies, ist Frankreich nun vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Das Recht der Klägerin auf ein faires Verfahren sei verletzt worden, befanden die Straßburger Richter am Donnerstag. Es war das erste Mal, dass sich der Menschenrechtsgerichtshof mit dem einklagbaren Recht auf Wohnung in Frankreich befasste. Derzeit warten fast 60.000 Haushalte in Frankreich auf die Umsetzung ihres Rechts auf Wohnung.
Die Klägerin, eine etwa 40-jährige Frau aus Kamerun, die sich mit ihrer Tochter und ihrem Bruder in einer als gesundheitsschädlich eingestuften Wohnung aufhielt, hatte 2010 per Gerichtsurteil erwirkt, dass der französische Staat ihr eine neue Wohnung zuweisen sollte. Mehr als dreieinhalb Jahre später hatte sie aber immer noch keine neue Unterkunft.
In seinem Urteil warf der Menschenrechtsgerichtshof Frankreich nun vor, das Recht der Klägerin auf ein faires Verfahren verletzt zu haben, indem der Staat das Gerichtsurteil nicht umgesetzt habe. Dabei hätte ihrer Forderung „mit einer besonderen Dringlichkeit“ nachgekommen werden müssen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann binnen drei Monaten noch Revision vor der Großen Kammer des Gerichtshofs beantragt werden.
Mehr als 59.000 einkommensschwache Haushalte in Frankreich warten derzeit auf eine neue Wohnung, nachdem ihr Antrag darauf von der dafür zuständigen Kommission bewilligt wurde. Im vergangenen Jahr ergingen zudem in Frankreich 8519 Gerichtsurteile wegen fehlender Zuweisung einer neuen Wohnung trotz der Bewilligung der entsprechenden Anträge. Ein Gesetz aus dem Jahr 2007 verpflichtet den französischen Staat dazu, eine Unterkunft für die sozial Schwächsten bereitzustellen.
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