Recht auf Sammelklagen: Gemeinsam gegen die Energiekonzerne
Gemeinsame Prozesse sollen die Verbraucher stärken und Gerichte entlasten. In den USA sind sie schon lange möglich, monieren Verbraucherschützer.
In Deutschland sollte es die Möglichkeit einer Sammelklage nach amerikanischen Vorbild geben, um Ansprüche geschädigter Verbraucher besser durchzusetzen. Das forderte die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Dienstag in Berlin. "Wir brauchen die Möglichkeit, dass gleichgelagerte Fälle vor Gericht gebündelt entschieden werden", sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen. Ein kollektiver Rechtsschutz würde nicht nur die Position der Verbraucher stärken, sondern auch die Gerichte entlasten.
Die Verbraucherschützer stoßen vor Gericht immer wieder an Grenzen, aktuell beim Streit über Preiserhöhungen bei der Energieversorgung. Auch wenn es sich um nahezu identische Probleme handle, müsse jeder Betroffene für sich selbst klagen. Mit einem Musterverfahren, könnte hingegen einmalig geklärt werden, ob Entschädigungsansprüche gerechtfertigt sind, meint der vzbv.
Anlass für die Forderung der Verbraucherschützer ist ein Konsultationsprozess der EU-Kommission, der voraussichtlich Ende Januar beginnen soll. Darin soll geklärt werden, ob in den Mitgliedsstaaten ein Bedarf für das juristische Instrument der Sammelklage besteht. Der Verbraucherschutzkommissar der Europäischen Union, der Spanier Joaquín Almunia, habe den Eindruck erweckt, handeln zu wollen, meint der vzbv. "Wir setzen große Hoffnung in die EU", sagte Billen.
Verbände können schon heute für Mitglieder klagen
Die Bundesregierung steht Sammelklagen kritisch gegenüber. Thorsten Bauer, Sprecher des Bundesjustizministeriums, verweist darauf, dass das geltende Recht Verbänden schon heute Möglichkeiten gibt, sich für die Interessen ihrer Mitglieder zu klagen. "Dieses Modell hat sich bewährt", so Bauer.
Die ablehnende Haltung seitens der Bundesregierung wertet Billen als Erfolg der hiesigen Wirtschaftslobby. Wirtschaftsvertreter würden beim Begriff "Sammelklage" sofort an amerikanische Verhältnisse denken, wo in manchen Fällen hohe Entschädigungssummen bezahlt werden mussten.
"Das sind Ausreißer", sagt der Rechtsanwalt Frank Ebbing aus der Erlanger Kanzlei Bissel. Gerade wenn es um die Produkthaftung geht, hätten Sammelklagen in den USA aber viel Segensreiches bewirkt. "Sammelklagen üben erheblichen Druck auf die Erzeuger von Waren aus - dadurch sind die Produkte sicherer geworden", sagt der Experte für deutsches und amerikanisches Handelsrecht.
Ebbing sieht die Sammelklage zwar durchaus als sinnvolles Instrument an, aber nicht als Allheilmittel. "Der Vorteil ist, dass so Geschädigten Rechtsschutz gewährleistet wird, die alleine keinen Prozess finanzieren könnten." Ein Problem der Sammelklage sei allerdings, dass häufig individuelle Besonderheiten der Kläger nicht berücksichtigt würden. Konkret heißt das: Ein Musterfall wird ausgefochten und das Ergebnis ist für alle Beteiligten verbindlich - auch wenn ein Betroffener womöglich einen unterschiedlich hohen Schaden erlitten hat.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen