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Reanimation in der ÖffentlichkeitWenn Brüste über Leben und Tod entscheiden können

Bei einem Herzstillstand haben Männer eine höhere Chance, wiederbelebt zu werden. Eine Studie aus China untersucht mögliche Gründe dafür.

Eine Herzdruckmassage kann Leben retten. Frauen sind dabei eher benachteiligt Foto: Arno Burgi/dpa

„Ah, ha, ha, ha – Stayin’ alive, stayin’ alive“ – im Idealfall geht bei diesen Zeilen im Kopf ein Szenario los, das Leben retten kann. Das Lied gilt als Merkhilfe für den Rhythmus einer Herzdruckmassage im Notfall. Dass man in die Situation kommt, einen Menschen reanimieren zu müssen, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland die häufigste Todesursache. Jährlich haben etwa 120.000 Menschen hierzulande einen Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses, bei dem der Rettungsdienst gerufen wird.

In etwas mehr als der Hälfte der Fälle versuchen Laien, mit Wiederbelebungsmaßnahmen das Leben der Betroffenen zu retten. „10.000 Menschenleben könnten jedes Jahr zusätzlich gerettet werden, wenn sich mehr Menschen eine sofortige Herzdruckmassage zutrauen würden“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium. Studien aus unterschiedlichen Ländern legen nahe, dass bei der Frage, ob einer Person geholfen wird, auch ihr Geschlecht eine Rolle spielt. Frauen werden bei einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses seltener reanimiert als Männer. Laut einer kanadischen Studie bekommen Männer zu 68 Prozent und Frauen nur zu 61 Prozent eine Herzdruckmassage in der Öffentlichkeit. Ob in Nordamerika, China, Europa oder Australien – der Geschlechterunterschied ist immer da.

Die Studie

Eine Studie chinesischer Wissenschaftler*innen, die im Magazin BMC Cardiovascular Disorders erschienen ist, hat nun nach den Gründen dafür geforscht. Warum sind Menschen weniger bereit, Frauen durch Herzdruckmassagen das Leben zu retten? Dafür haben die Forschenden Menschen in Südostchina per Umfrage nach ihrer Erfahrung mit Herz-Lungen-Wiederbelebung und ihrer Meinung zu geschlechtsspezifischen Bedenken gefragt. Bei der Auswertung der Antworten von 433 Teilnehmenden kommt heraus: Frauen sind verglichen mit Männern eher bereit, anderen Frauen eine Herzdruckmassage zu geben. Besonders Männer haben Bedenken wegen des Körperkontakts. Die For­sche­r:in­nen finden verschiedene Gründe für diese Ergebnisse. Sie deuten besonders darauf hin: Die weibliche Brust anzufassen kann ein Hemmnis sein, wenn es darum geht, Leben zu retten.

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Was bringt’s?

Meist werden Herzdruckmassagen in der Erste-Hilfe-Bildung mit anatomisch männlichen Körpern als Modell geübt. Dass es zum Problem wird, wenn der männliche Körper als Norm gilt, hat die Gendermedizin schon in vielen anderen Bereichen gezeigt. Ex­per­t*in­nen schlagen vor, mehr Puppen mit anatomisch weiblichem Körper in Erste-Hilfe-Kursen einzusetzen und besser über Vorurteile aufzuklären. In Deutschland sind Rettende bereits gut geschützt, sollte das Opfer beim Helfen zu Schaden kommen. Es besteht sogar eine Pflicht, erste Hilfe zu leisten. Und für diejenigen, die sich jetzt fragen, wie die Herzdruckmassage noch mal geht: Auf 30 Kompressionen folgen 2 Beatmungen, im Takt zu Stayin’ alive.

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