: Realer Machtkampf
Die Galaktischen aus Madrid wählen einen neuen Präsidenten. Es geht um die Ausrichtung des Vereins
MADRID taz ■ Es geht ums Konzept. Und um die Frage: Wie soll Real Madrid künftig aussehen? Soll es weiterhin eine Truppe aus „galaktischen“ Stars sein – oder doch eher eine solide Mannschaft? Genau darüber stimmen die Mitglieder des spanischen Clubs am Sonntag ab, wenn sie ihren neuen Präsidenten wählen. Auf dem Prüfstand steht das Konzept des derzeitigen Vereinsvorsitzenden Florentino Pérez. „Einen Club des 21. Jahrhunderts“ und „viel Illusion“ hatte er bersprochen, als er vor vier Jahren sein Amt an der Spitze des neunfachen Europapokal-Siegers angetreten hatte. „ZP“ taufte der 57-jährige Bauunternehmer sein Konzept, in Ahnlehnung an den Wahlkampfslogan des spanischen Ministerpräsidenten Zapatero. Was bei diesem „Zapatero Presidente“ hieß, steht bei Pérez für „Zidanes und Pavones“ – und heißt: eine Elf aus internationalen Superstars, aufgefüllt mit Nachwuchstalenten aus der eigenen Jugend. Figo, Zidane, Ronaldo, Beckham – Pérez hielt, was er versprach. Jedes Jahr kam ein neuer Galaktischer ins immer galaktischer werdende Team. Nur der Erfolg blieb eher irdisch.
Zwei Meisterschaften und ein Europapokal stehen in keinem Verhältnis zu den Ausgaben für die Spieler. Das sagen zumindest die Gegner von Pérez. Zumal es den Superstars in diesem Jahr noch nicht einmal gelang, sich direkt für die Champions League zu qualifizieren, weshalb die EM-geplagten Figo, Zidane, Raúl und Beckham nun die Qualifikationsrunde für die Königsklasse spielen müssen. Eine solche Demütigung schmerzt an der Basis – und schafft Opposition. „Die Mannschaft hat sich überall im Lande lächerlich gemacht“, beschwert sich beispielsweise Lorenzo Sanz. Der 60-jährige Unternehmer wirft der derzeitigen Vereinsspitze vor, „einen Riesen auf tönernen Füßen“ geschaffen zu haben. Sanz ist der Vorgänger von Pérez – und dessen größter Rivale. Er stand dem Verein von 1995 bis 2000 vor und hat sich nun dazu durchgerungen, noch einmal in den Ring zu steigen, „um dem Club seinen angestammten Platz zurückzugeben“. Der dritte Kandidat für den Vereinsvorsitz, Arturo Baldasano (59), gilt als Außenseiter.
Für Sanz, der die Mannschaft zweimal zum Triumph in der Champions League geführt hatte, ist das Konzept ZP gescheitert. „Pérez wollte weder Verteidiger noch Mittelfeldspieler einkaufen“, beschwert sich der Vorgänger. „Die denken zu sehr ans Marketing, an den Verkauf von Bildern.“ Und: „Mannschaften müssen immer von hinten her aufgebaut werden.“ Damit legt Sanz den Finger direkt auf den wunden Punkt der Galaktischen: Kein Team kassierte so viele Gegentore wie Real. Oft rettete nur Torwart Iker Casillas die Lage –nach riesigen Fehlern der Abwehr. „Pérez verzichtete auf Mittelklassespieler und ist damit gescheitert“, resümiert der Altpräsident und Neukandidat.
Sanz, zu dessen Zeiten Spieler wie Seedorf, Suker oder Mijatovic das weiße Trikot trugen, hat es bis heute nicht verwunden, dass er 2000, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, mit dem Champions-League-Titel in der Hand, abgewählt wurde. Doch das Programm von Pérez war damals so einfach wie verlockend: Zum einen versprach er Luis Figo vom Erzfeind FC Barcelona zu holen, zum anderen wollte er die Kassen des Clubs sanieren. Dies führte ihn zum Wahlsieg.
Und Pérez hielt sogar Wort. Mit 278 Millionen Euro stand der Club in der Kreide, als er ihn übernahm. „Der Verein gehörte damals mehr den Gläubigern als den Mitgliedern“, sagt Pérez nun. Doch der Bauunternehmer fand schnell eine Lösung für das Schuldenloch: Die Bauspekulation. Er verkaufte das mitten in der Stadt gelegene Trainingsgelände, um ein neues außerhalb zu bauen. Real war mit einem Schlag alle Schulden los und hat seither sogar Geld in der Kasse, um Galaktische zu verpflichten.
Während die Opposition ihm vorwirft, „Geld zu verschleudern“, ist sich Pérez unvermindert sicher, dass es „nichts Rentableres gibt, als weltberühmte Spieler unter Vertrag zu nehmen“. In drei Monaten, so seine Theorie, würden die sich amortisieren. Schließlich fährt der Club die Hälfte der Werbeeinnahmen ein und verkauft Hunderttausende von Trikots. Im Prinzip wäre also alles perfekt – wenn die Popstars in Weiß nur gewinnen würden. REINER WANDLER