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Archiv-Artikel

■ Reaktionen auf Christian Füllers Forderung, Studiengebühren durch Studierende selbst erheben und kontrollieren zu lassen Die Idee ist völlig realitätsfern

betr.: „Ja zu Studiengebühren – jetzt“, taz vom 20. 10. 04

Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht bisher das Verbot von Studiengebühren nicht gekippt hat, ist die Idee von Christian Füller völlig realitätsfern. Schließlich sind es immer noch die Landesregierungen, die – negatives Urteil vorausgesetzt – über die Verhängung von Studiengebühren und auch über die Verwendung der Gelder bestimmen. Und dass zum Beispiel die hessische Landesregierung die Verwendung der Gebühren der Studentenschaft überließe, ist völlig illusorisch. Vielmehr hat gerade diese Regierung einen Entwurf zur Neufassung des Hessischen Hochschulgesetzes vorgelegt, wonach die Mitbestimmung der Studierenden durch die Hintertür ausgehebelt werden soll: Das neue Gesetz sieht vor, bei einer weiteren Minimalbeteiligung der Studierenden an den Wahlen unter 25 Prozent den ASten 75 Prozent ihrer bisherigen finanziellen Mittel zu kürzen, womit die Arbeit der ASten weitgehend lahm gelegt würde. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Füllers Hauptthesen lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:1. Weil Kindergärten Gebühren nehmen, sollen es die Hochschulen auch. 2. Weil die soziale Spaltung bereits in der Schule stattfindet, macht es auch nichts, wenn sie in den Hochschulen weiter zementiert wird. 3. Weil ein Studiengebührenverbot sowieso nicht mehr haltbar ist, sollen die Studis die Gebührenverwaltung nun selbst in die Hand nehmen. Gemeinsamer und durchaus zeitgeistkonformer Nenner dieser Argumentationen ist, dass ihnen die Prämisse der Unausweichlichkeit der Ökonomisierung von Bildung zugrunde liegt.

Nicht nur die Prämisse, auch die Rückschlüsse Füllers sind jedoch leicht mit anderen, „für mich überzeugenderen“ Inhalten zu füllen:1. Kindergärten sollten auch gebührenfrei sein. 2. Soziale Spaltung gehört grundsätzlich bekämpft – an Schulen ebenso wie an Hochschulen. Und 3. Es ist schon immer eine kluge Taktik des Regierens gewesen, Betroffene ihr „Elend“ selbst verwalten zu lassen. Vollauf mit „Selbstverwaltung“ beschäftigt, bleibt diesen schließlich keine Zeit mehr die Umstände der Entstehung ihrer neu gewonnenen „Freiheit“ zu hinterfragen. ANIKA SUSEK, Münster

Wenn der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände schon ein unsinniges Modell für Studiengebühren vorlegen kann, die taz mit Christian Füller an der Spitze kann das nicht nur nachmachen, sie kann es noch absurder. Die Studierenden sollen nicht von anderen am Weiterstudieren gehindert werden, die Elite von morgen soll sich selbst selektieren. Nicht die Politik oder die Hochschulleitungen sollen sich die Finger schmutzig machen, die Studierenden können sich auch allein aus der Uni werfen. Um sich dann endgültig zum Handlanger derer zu machen, denen jedes Kind von SozialhilfeempfängerInnen an der Uni eins zu viel ist, wird die sich selbst erfüllende Prophezeiung wiederholt, das Verfassungsgerichtsurteil schon vorher zu kennen, und überhaupt möchte man das auch nerviger als jede Media-Markt-Werbung unter die Leute bringen. Für die Ehrlichkeit dieser politischen Stellungnahme trotzdem vielen Dank. PETER HARTIG, Referat für Öffentlichkeitsarbeitim ReferentInnenrat der Humboldt Universität, Berlin

Wenn Füller die Studierenden für zu schwach hält, um Gebühren an sich zu verhindern, wie sollten sie dann stark genug sein, ein völlig utopisches Mitbestimmungsmodell durchzusetzen? Und wenn sie stark genug sind, es durchzusetzen, warum sollten sie es nicht auch ohne Gebühren durchsetzen können? Nur nebenbei: Auf dem Planeten, auf dem ich derzeit lebe, geht es bei der HRG-6-Verhandlung eben durchaus nicht nur um Studiengebühren, sondern auch um die verfasste Studierendenschaft, also im Rahmengesetz vorgeschriebene wenigstens elementare Mitbestimmungsmöglichkeiten für Studierende. Und selbst diese waren Ministern vom Schlage eines Frankenberg schon zu hart in der Nähe des Untergangs des Abendlands. MARKUS DEMLEITNER, Heidelberg

Völlig unbeantwortet bleibt die Frage, wozu Studiengebühren überhaupt erhoben werden sollen. Studiengebühren sind hochgradig ineffizient, erfordern sie doch einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, der vollkommen überflüssig ist, da man die nötigen Mittel auch aus der Steuer bestreiten kann, was ein Verwaltungsakt weniger wäre. Auch der geringe Betrag von 1 Milliarde zeigt, dass es keine ökonomischen Gründe gibt. Sie sind unsozial – daran ändert auch die Tatsache nichts, dass unser Schulsystem noch unsozialer ist. Jede Barriere ist eine Barriere. Zu guter Letzt müssen Studierende nicht „mündiger“ gemacht werden. Laut Verfassung ist das jeder Bürger ab 18 Jahren. THOMAS VOLKMAR WORM, Hamburg

Zwar stimmt es, dass der Anteil der Studierenden aus „Beamtenfamilien“ immens höher ist als aus „Arbeiterfamilien“, doch was ist denn die Konsequenz daraus? Dass wir Studiengebühren fordern, da sowieso nur Kinder von „Besserverdienenden“ an unseren Hochschulen studieren? Was machen dann die „Arbeiterkinder“, welche den Grundbetrag nicht selber aufbringen können, geschweige denn Ihre Eltern? Wie viele junge Menschen würden von Studiengebühren abgeschreckt werden?

Die soziale Segregation, welche es auf allen Ebenen des Bildungssystems zu bekämpfen gilt, würde durch dieses Modell nur verschärft, ja sogar perfektioniert. Zudem wird die Tatsache außen vor gelassen, dass unter anderem durch immer restriktivere BAföG-Kriterien sich schon heute viele junge Menschen für eine Ausbildung und gegen ein Studium entscheiden. Die Landesregierung des Landes NRW hat eine vernünftige gemeinsame Richtung gefunden: Das Erststudium im Rahmen der 1,5-fachen Regelstudienzeit bleibt gebührenfrei. Die Debatten um andere Modelle wie die „nachgelagerten Studiengebühren“ lassen sich ganz einfach und ohne ideologiebeladene Debatten vom Tisch fegen: Es rechnet sich einfach nicht.MARTIN-SEBASTIAN ABEL, Düsseldorf

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