: Reagan sucht Kompromiß für SDI
■ Demokraten im US–Senat fordern enge Auslegung des ABM–Vertrags / Militärs befürchten, daß offensichtliche Versuche einer beschleunigten Installierung von SDI den Widerstand im Kongreß stärken / Zwischenlösung zum SDI–Programm vorgeschlagen
Washington (dpa/taz) - Einflußreiche Demokraten im amerikanischen Senat haben am Mittwoch Reagan gewarnt, die bisherige Interpretation des ABM–Vertrages über die Raketenabwehr aufzugeben. Der Senat habe den Vertrag von 1972 eindeutig unter der Voraussetzung ratifiziert, daß Versuche mit sowie die Stationierung von Waffen im Weltraum nicht erlaubt seien. Die Vorsitzenden von drei Ausschüssen, die für die Ratifizierung von Rüstungskontrollabkommen maßgeblich sind, Claiborne Pell (Außenpolitik), Sam Nunn (Streitkräfte) und Joseph Biden (Justiz), bestritten Reagan das Recht, von der unter Ex–Präsident Nixon entwickelten engen Auslegung abzurücken. Sie meinten, Reagan würde damit eine Kraftprobe mit dem Senat über dessen verfassungsmäßigen Rechte riskieren. Im Senat brachten sie eine Resolution für die weitere Beachtung der „traditionellen“, der „engen“ Auslegung des ABM–Abkommens ein. Gestützt auf ein Rechtsgutachten aus dem Außenministerium, drängt Reagan auf eine Auslegung, die Entwicklung und Erprobung neuer, auf andere physikalische Gesetze gestützter Waffen, zuläßt. Die Militärs meinen, die enge Interpretation des ABM– Vertrags behindere die Entwicklung von SDI. Nun sind weder Nunn, noch die beiden anderen Ausschußvorsitzenden Gegner des Sterne–Kriegs–Programms. Sie befürchten vielmehr, daß die Forderung nach einer beschleunigten Installierung von SDI den Widerstand im Kongreß weiter wachsen läßt. Deshalb suchen die Senatoren zusammen mit Regierungsvertretern nach einer Kompromißlösung. Der bisher entwickelte Vorschlag sieht eine auf 12 bis 18 Monate befristete Zwi schenlösung mit folgenden Elementen vor: 1. Der Senat genehmigt „respektable“ Finanzmittel für SDI. 2. Die Regierung würde für die Dauer des Kompromisses Tests unterlassen, die gegen die engere Auslegung des Vertrages verstoßen. 3. In Genf würde mit den Sowjets verhandelt, welche Grenzen für Versuche und Entwicklung von Defensivsystemen gelten sollten. 4. Regierung und Kongreß würden den Streit um zwei alte Verträge über die Begrenzung unterirdischer Nukleartests (1974) und die Stärke unterirdischer Tests für friedliche Zwecke (1976) beilegen. Diese Verträge wurden von den USA noch nicht ratifiziert. Nunn begründet seine Suche nach einem Kompromiß damit, daß die UdSSR die Bestimmungen des Vertrages mißachte. Sowjetische Verstöße wie die Radaranlage in Krasnojarsk höhlten das Abkommen aus. Wenn es nicht gelänge, durch Rüstungskontrolle oder Modernisierung der Waffen das strategische Gleichgewicht wiederherzustellen, würden die USA möglicherweise zu ihrem Schutz ein SDI–System stationieren. Dazu, so Nunn, müßten die USA nach Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist von dem Vertrag zurücktreten, wenn er nicht durch Bestimmungen ergänzt werden könne, die die Entwicklung von SDI erlauben. Nunn fügte hinzu, er sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht dafür, aber generell müßte die Stationierung als Verteidigungsstrategie in Zukunft in Betracht gezogen werden.
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