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■ Read meHomo Glotzer

Barbara Sichtermann ist als TV-Kritikerin dafür bekannt, daß sich ihre allwöchentlichen Rezensionen in der Zeit von den üblichen Tagelöhner-Produkten unterscheiden. Jetzt hat sie ein Bündel von Vorträgen und Aufsätzen zum Thema zwischen zwei Buchdeckel gepreßt. Der schlichte Titel des Werkes: „Fernsehen“. Was für ein Anspruch – und was für ein Absturz. Auf 120 Seiten verfolgt Sichtermann die These, daß die Zuschauer inzwischen gelernt hätten, mit dem Fernsehen mündig umzugehen. Der emanzipatorische Ansatz hindert sie selbst jedoch nicht daran, ihre LeserInnen permanent mit der eigenen „einfachen Wahrheit“ und „anthropologischen Elementartatsachen“ zu traktieren. Wenn es nicht um den „Glotzer“ oder „das Kind“ schlechthin geht, dann watschelt doch zumindest ein Homo politicus, Homo ludens oder Homo sapiens durch jeden Artikel – manchmal gleich rudelweise. Derart zäh ist der bildungsbürgerliche Brei, daß man am Ende hinter allen schiefen Metaphern beinahe die mageren Argumente übersieht. Und die haben es in sich. Da wird der Krieg auf dem Balkan kurzerhand mit Rostock, Mölln und Solingen in einen Topf geworfen. Und die Gewalt unter Schülern erklärt sie mit der schwindenden Fähigkeit des Sports, „die Wollust der Raufumarmung“ in „zivile“ Bahnen zu lenken. Daß bei einem derart schlichten Weltbild die Wahrnehmungsleistungen der mündigen Fernsehzuschauer zu einer Art Mental-Informatik zusammenschrumpfen, ist nur konsequent. „Es ist mal so: die meisten spannenden Fragen sind uralt“, so die profane Einsicht von Barbara Sichtermann – aber leider auch die dürftigen Versuche ihrer Beantwortung. baum

Barbara Sichtermann: „Fernsehen“. Wagenbach Verlag. Berlin 1994. 16,80 DM

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