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Rausschmiß statt Entschädigung

■ Polizei nahm Opfer eines ausländerfeindlichen Übergriffs erstmal den Paß weg / Kein Prozeß gegen die Täter - zwei Polizisten Von Kaija Kutter

Was sollte ein nichtdeutscher Bürger tun, wenn er auf der Straße beschimpft und zusammengeschlagen wird? Vielleicht nicht gerade zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Dialle D. tat's – und hat es schon längst bereut.

Der 44jährige Senegalese lebt seit zehn Jahren in Hamburg. Acht Jahre war er mit einer Deutschen verheiratet, hat also laut Ausländerrecht einen gesicherten Aufenthaltsstatus – eigentlich. Inzwischen verhindert nur noch eine Beschwerde seines Anwalts seine Ausweisung.

Am späten Abend des 15. Januar '94 ging Dialle D. zur Nachtbushaltestelle Neuer Pferdemarkt. Selbstbewußt trug der Schwarze seine Überzeugung zur Schau: Auf seiner Mütze prangte ein Aufkleber „Gebt Nazis keine Chance!“. „Plötzlich kamen zwei Männer auf mich zu, packten mich, schlugen mich ins Gesicht und sagten: 'So eine Mütze darfst du nicht tragen'“, erinnert sich der 44jährige. Die beiden Unbekannten zerrten Dialle D. in einen Baucontainer und schlugen auf ihn ein. Seine Hilferufe wurden von einem Taxifahrer gehört, der die Polizei alarmierte.

D. hatte Glück im Unglück: Zwei Zeugen hatten den Vorfall beobachtet und bestätigten seine Darstellung. Da sein Auge blutete und sein Fuß schmerzte, fuhr er ins Hafenkrankenhaus. Als D. am Morgen nach dem Überfall Anzeige erstatten wollte, stellte sich auf der Wache heraus, daß die Täter Polizeibeamte in Zivil waren. D. mußte also zur Polizeidienststelle „PS 3“, der Sondereinheit, die gegen Polizisten ermittelt.

Der zuständige Beamte H. war so findig, den Paß des Opfers einzubehalten. Zur routinemäßigen Überprüfung, wie er sagte. Die dauert offenbar noch an: D. hat seinen Paß bis heute nicht zurückbekommen. Auch die noch gültige Aufenthaltsgenehmigung wurde ihm weggenommen. Im Handumdrehen fand sich Dialle D. in der „Illegalität“ und mußte seine Arbeit als Vertreter einer afrikanischen Firma aufgeben, weil er – ohne Papiere – nicht mehr reisen kann.

Aber damit nicht genug. Am 25. Januar, so geht es aus einem Aktenvermerk hervor, kamen PS 3 und Ausländerbehörde überein, die „erneute Überprüfung des Status'“ von D. einzuleiten. Diese Überprüfung ging erheblich flotter als die des Passes: Am 4. Februar erhielt D. die Ankündigung, daß seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert würde. Am 11. April teilte die Ausländerbehörde dem Senegalesen schriftlich mit, daß er ausgewiesen würde. Noch bevor die gesetzliche Frist zur Stellungnahme abgelaufen war, schickte das Amt die Ausweisungsverfügung hinterher. „Alles spricht dafür, daß da mit heißer Nadel etwas zusammengestrickt wurde, um meinen Mandanten loszuwerden“, vermutet Anwalt Puls. Gegen die Ausweisung hat er Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht.

In der Ausländerbehörde wurde unterdessen eine juristische Rechtfertigung für den Rausschmiß zusammengebastelt. Denn acht Jahre Ehe mit einer deutschen Frau sind nicht gleich acht Jahre Ehe mit einer deutschen Frau. Dabei soll D. ein Fehler aus dem Jahre 1981 zum Verhängnis gemacht werden: Damals hatte er, wie er heute offen eingesteht, unter falschem Namen Asyl beantragt. „Dann wollte ich das nicht mehr. Bin ausgereist und unter richtigem Namen wieder eingereist“, sagt D.

1984 heiratete er unter richtigem Namen, 1987 flog der alte Schwindel auf. Mit der Folge, so schildert es D., daß er von der Ausländerbehörde mit einer dreijährigen Duldung „bestraft“ wurde, für Ausländer der mieseste Aufenthaltsstatus.

Zudem erklärt die Ausländerbehörde nun seinen Aufenhalt von –84 bis –87 unter echtem Namen für „rechtswidrig“. Da auch die Phase der Duldung von den acht Ehejahren abgezogen werden müsse, so Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, habe D. mit den restlichen zwei Jahren bis zur Trennung im Mai 1992 die erforderliche Ehezeit von vier Jahren nicht erfüllt.

„Der ,Vorwurf' der alten Identität muß der Ausländerbehörde schon lange bekannt gewesen sein“, entgegnet Puls, der die Nichtanrechnung der Duldungszeit als „sehr bedenklich“ einstuft. „Daß ich von '84 bis '87 illegal hier gewesen sein soll, hat man mir nie gesagt“, sagt auch Dialle D., der genau wie sein Anwalt erst durch die taz davon erfuhr.

Und noch etwas erfuhr der Senegalese so ganz nebenbei: Einen öffentlichen Prozeß gegen die beiden Polizisten wird es nicht geben. Als sein Anwalt nach sieben Monaten endlich Einsicht in die Akte erhielt, befand sich darin ein bereits rechtskräftiger Strafbefehl über je 5400 Mark (90 Tagessätze a 60 Mark) für die beiden Täter, was juristisch einer Verurteilung gleichkommt.

Das daraus folgende Disziplinarverfahren für den einen Beamten läuft noch, das für den anderen wurde eingestellt. „Das macht man so, wenn man zur Auffassung kommt, daß die Beamten durch das Gericht genug bestraft sind“, sagt Polizeisprecher Werner Jantosch. Auch der Beamte der PS 3 habe „absolut korrekt“ gehandelt, als er den Paß einzog und nicht wieder herausrückte. Dies sei auf Anordnung der Ausländerbehörde geschehen.

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