Rauchverbot in Österreich: In Lokalen wird weitergequalmt
Österreich hat das liberalste Rauchverbot in der EU: Kontrollen gibt es so gut wie gar nicht. Und wer Raucher verpetzen will, muss schon detektivisch tätig werden.
WIEN taz Seit Neujahr gilt in Österreichs Lokalen Rauchverbot. Weniger gepafft wird deswegen kaum. Denn durch großzügige Übergangsfristen und knieweiche Durchsetzungsmechanismen wird das Verbot de facto zu einer unverbindlichen Empfehlung. Im Prinzip darf in Lokalen mit mehr als 50 Quadratmeter Fläche nicht geraucht werden. Kleinere Cafés und Kneipen können sich als Raucher- oder Nichtraucherlokal deklarieren. Die größeren dürfen räumlich abgetrennte und speziell belüftete Raucherbereiche schaffen. Das kann teure Investitionen erfordern. Entsprechend groß war der Widerstand aus der Gastronomie gegen die Regelung. Diese sieht nun eine Schonzeit bis 30. Juni 2010 vor. Bis dahin muss nur am Lokaleingang ersichtlich sein, ob drinnen geraucht werden darf oder nicht.
Auch die Geldstrafen von bis 1.000 Euro für rauchende Gäste und maximal 10.000 Euro für Gastwirte sind eher theoretischer Natur. Gemeinde- oder Stadtverwaltungen werden nicht von Amts wegen tätig, sondern müssen per Anzeige auf einen Verstoß aufmerksam gemacht werden. Da Beamte naturgemäß am Abend nicht arbeiten, wird die Behörde in der Regel frühestens am folgenden Tag von einem Verstoß Kenntnis erhalten. Wer Raucher verpetzen will, tut also gut daran, das Fehlverhalten detektivisch zu dokumentieren. Nicht nur Ort und Uhrzeit, sondern tunlichst auch Name und Adresse der Zuwiderhandelnden sollten notiert werden.
Die Politik zeigt sich trotz guter Erfahrungen mit strengeren Lösungen anderswo in Europa unverdrossen zufrieden mit der Regelung. Gesundheitsminister Alois Stöger, SPÖ, würde sich zwar mehr Nichtraucherschutz wünschen, will aber im Interesse der Koalitionsharmonie erst nach einem Jahr evaluieren. Die ÖVP steht traditionell eher auf Seiten der Wirte. "Wir sind den österreichischen Weg gegangen. Wir haben sehr sorgfältig mit den Wirten und Sozialpartnern verhandelt", verteidigt Karlheinz Kopf, Fraktionschef der ÖVP, den Kompromiss. Ob sich Investitionen in Raucherzimmer wirklich lohnen, wird man indes erst wissen, wenn die entsprechende EU-Richtlinie da ist, in etwa drei Jahren also.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen