Rauchmelder: Nichtraucher machen Druck
Die Anti-Qualm-Kämpfer der Nichtraucher-Lobby gehen mit Anzeigen gegen Wirte vor, die weiter rauchen lassen.
BERLIN taz Die Nichtraucher-Lobby will Wirte mit Anzeigen und Beschwerden zur Gesetzestreue zwingen. Der Chef der Organisation Pro Rauchfrei, Siggi Ermer, berichtete, sein Verein habe schon über 200 Anzeigen unterstützt. "Wir kriegen am Tag im Schnitt fünf Beschwerden rein von Leuten, die sagen, dass einfach weiter geraucht wird."
Beschwerdeführer können ein Anzeigeformular ausfüllen, auf dem sie Name, Adresse, Tatzeitpunkt, Vorwurf und Zeugen nennen. Pro Rauchfrei schickt sie ans zuständige Ordnungsamt. "Für Berlin habe ich gestern Schreiben an fast jedes Bezirksamt gesandt", sagte Ermer.
Seit Jahresbeginn gilt in acht weiteren Bundesländern ein Rauchverbot in Gaststätten. Vielerorts haben die Behörden angekündigt, zunächst nicht so streng zu sein, sondern die Wirte nur zu ermahnen. In Berlin gelten die Bußgeldbestimmungen erst ab Sommer.
In Baden-Württemberg und Niedersachsen sind die Verbote bereits seit August in Kraft, in Hessen seit Oktober. Ermer sagte, seiner Erfahrung nach reagierten die Behörden in Baden-Württemberg zeitnah. "In Niedersachsen haben wir den Eindruck, dass das weggeschoben wird", sagte Ermer. Hier mache Pro Rauchfrei verstärkt Druck, wenn nichts passiere. So verlangt Ermer in einem Schreiben an das Ordnungsamt in Hannover Auskunft, was aus Anzeigen gegen vier Gaststätten geworden sei. "Anbei erhalten Sie weitere Anzeigen von Verstößen, die Sie bitte mit dem entsprechenden Nachdruck ahnden wollen", heißt es in dem Brief.
Ermer will sich notfalls mit Dienstaufsichtsbeschwerden durchsetzen oder sich mit Briefen ans Innenministerium des jeweiligen Landes wenden. Nach den Worten des Lobby-Chefs unterstützt sein Verein nur Anzeigen gegen Wirte, nicht gegen Raucher. Die Anzeigen seien nie anonym, jeder Beschwerdeführer müsse sich legitimieren. "Deswegen hat das mit Denunziation nichts zu tun", sagte Ermer. Wegen der starken Nachfrage will Pro Rauchfrei nur noch für seine 1.000 Vereinsmitglieder die Anzeigen verschicken. Jedem stehe allerdings weiter das Anzeigeformular unter www.pro-rauchfrei.de zur Verfügung.
In Baden-Württemberg gibt es nur Bußgelder gegen Raucher. Wirten droht nach einer Reihe von Hinweisen und Abmahnungen allerdings der Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Beispielsweise in Ulm wurde seit August fünfmal Bußgeld in Höhe von 40 Euro gegen Gäste verhängt. Fünf Wirte hat die Stadt nach eigenen Angaben abgemahnt. Viele Ämter warten, dass sich alles von selbst einpendelt. So greift die Verwaltung in Freiburg noch nicht bei Lokalen durch, die das Verbot zu umgehen suchen. Sie wartet, bis die Landesregierung das Verbot genauer definiert hat.
Für Niedersachsen hat eine aktuelle Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den Stadtverwaltungen ergeben, dass nur vereinzelt Bußgelder verhängt wurden. Meist würden die Behörden erst nach Beschwerden von Gästen und nicht von sich aus aktiv, hieß es. Der Landeschef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Rainer Balke, sagte: "Die Gemeinden gehen noch sehr gnädig mit betroffenen Wirten um." Pro-Rauchfrei-Chef Ermer sagte: "Ich kann doch kein Gesetz in Kraft treten lassen und es bleibt folgenlos."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance