: Raucher im Parlament
Im Kieler Landtag kämpft die überfraktionelle Raucherpartei des Landtages (RPL) gegen die Grünen
Haushaltskrise? Wirtschaftslage? Ach was: Es gibt wichtigere Themen, um die sich ein Landtag streiten kann. Neue Nummer 1 dieser Liste ist die Frage, ob im Kieler Landeshaus gequalmt werden darf. Nein, meinen die Mitglieder der Grünen-Fraktion, die zur gestrigen Debatte in Anti-Kippen-Shirts erschienen und damit fast des Hohen Hauses verwiesen worden wären. In der Diskussion fielen die bekannten Argumente: Schutz der Nichtraucher ja, Diskriminierung der Raucher nein, Vorbildfunktion oder übertriebenes Verbot. Schließlich wurde das Thema in den Sozialausschuss überwiesen. Draußen in der Lobby – einer Raucherzone – ging die Debatte weiter. Holger Astrup, Ehrenpräsident der ein Drittel aller Abgeordneten umfassenden Raucherpartei des Landtages (RPL) und SPD-Mitglied, zwischen zwei Lungenzügen: „Rauchverbot? Das sollen die nur versuchen.“ Zumindest in seinem Büro seien Zigaretten weiterhin erlaubt. Mehrere Abgeordnete glauben, dass diese Erklärung den ganzen dritten Stock, in dem die SPD untergebracht ist, einschließt.
Der Grüne Karl-Martin Hentschel und neue Speerspitze der Nichtraucherpartei (NRP) werde es in Zukunft schwer haben, meinte eine Kollegin vom sozialdemokratischen Flügel der RPL: „Er ist nämlich ein begnadeter Schnorrer. Und nach dem Auftritt heute wird er nicht mehr viele Zigaretten kriegen.“
Gelegenheitsqualmer Hentschel sieht das gelassen: „Der Antrag ist gut für die Raucher.“ Denn in einer rauchfreien Umgebung sei die Versuchung gering, zur Fluppe zu greifen. Eine klare Meinung zum Thema hat Doris Feddrich, die in der Garderobe des Landeshauses arbeitet: „Ich habe mir nicht das Rauchen abgewöhnt, um hier im Qualm zu stehen.“ An den Sitzungstagen sei es „schon extrem“, denn in die Garderobe, ein schmaler Fortsatz der hohen Lobby, zieht der Rauch hinein, aber nicht wieder hinaus.
Ihr Wort müsste eigentlich mehr Gewicht haben als eine Fraktion in Shirts, denn laut Paragraph 3a der Arbeitsstättenverordnung hat ein Mitarbeiter das Recht auf saubere Luft am Arbeitsplatz, der Arbeitgeber muss dafür sorgen. Landtagssprecher Joachim Köhler ist ratlos: Dieser Aspekt sei in der Debatte bisher nicht aufgetaucht. Aber: „Generell ist das Landeshaus ja rauchfrei, es gibt nur gewisse Zonen, in denen es erlaubt ist.“ Die allerdings sind groß und die Aschenbecher im Haus großzügig verteilt. Um allen Streit zu beenden und juristischen Konflikten aus dem Weg zu gehen, bleibt ein einfacher Weg: Das Landeshaus wird offiziell zur Kneipe erklärt. Denn in Gaststätten müssen die Mitarbeiter den Rauch akzeptieren.
Esther Geißlinger