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Rastaman Vibration

■ Die niederländischen Fans und ihr Held

München (taz) - In München ging es am Tag des EM-Finales zu wie bei einer Vollversammlung der Müllabfuhr. Orangegewandete Gestalten, so weit das Auge reicht. 30.000 waren aus den Niederlanden nach Bayern geströmt, um ihr Oranje-Team zur Europameisterschaft zu brüllen. Sie überschwemmten den Stachus, den Englischen Garten, den Olympiapark, versuchten, die Biergärten leerzutrinken und schwenkten meist dicke Geldscheinbündel.

Das war mitnichten schnöde Protzerei, sondern eine Aufforderung, ihnen doch, bitte schön, eine Eintrittskarte fürs Olympiastadion zu verkaufen. Die große Mehrzahl der orangistischen Schar war nämlich ohne Ticket gekommen und so schnellten die Schwarzmarktpreise hurtig in stratosphärische Höhen. Bis zu 1.500 Mark wurden für die begehrten Papierfetzen gezahlt, die längst nicht für alle reichten. 3.000 standen schließlich zerknirscht vor dem Stadion und mußten mit ganzen zwei (in Zahlen: 2) Fernsehapparaten vorliebnehmen.

Die Glücklichen, die es ins Paradies geschafft hatten, trugen vor allem einen Spieler im Herzen und auf ihren Transparenten: Ruud Gullit, den Oranje-Ritter von der mächtigen Gestalt, dessen Persönlichkeit die Mannschaft des neuen Europameisters überstrahlt. Besonderer Renner: die dreadlockgeschmückten Rastaman-Hüte, kühnster, aber gleichzeitig auch kläglichster Identifikationsversuch von Fußballfans seit dem Triumphzug der Maradona-Perücke in Neapel.

Während dort bald Friseure ein Vermögen mit der Fabrizierung von Maradona-Frisuren verdienten, hat es bei den Gullit-Fans keiner zu einer eigenen Dreadlocke gebracht. Aber von einem Skinhead aus Den Haag zu verlangen, daß er sich Zöpfchen ins Haar flechten soll, mag auch tatsächlich ein wenig übertrieben sein.

Matti

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