: Rassismus im Reich der Mitte
■ Bezirks-SPD diffamiert türkische Kulturvereine pauschal als Drogenzentren
„Vermutung bestätigt: Türkische ,Kulturvereine' Ausgangspunkte für organisierten Drogenhandel“, titeln die Sozialdemokraten des Bezirks Hamburg-Mitte in ihrer Presseerklärung. Aus der Antwort auf ihre Anfrage an das Bezirksamt wollen die SPD-Abgeordneten ersehen können, daß die türkischen ImmigrantInnenvereine kriminell unterwandert sind.
Zur Wahrung der „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ müsse gegen die „in kriminelle Machenschaften verstrickten Ausländervereine“ vorgegangen werden, so der SPD-Fraktionschef Markus Schreiber. Und, so geben sich die Sozialdemokraten populistisch-kämpferisch, „wir werden es nicht zulassen, daß unter dem Deckmantel einer scheinbar seriösen Einrichtung aus den Vereinsräumen heraus Drogengeschäfte angebahnt und Anwohner terrorisiert werden.“
Tatsächlich bestätigt die Antwort der Bezirksverwaltung keineswegs, daß die türkischen Kulturvereine auf St. Pauli in Drogengeschäfte verwickelt sind. Polizeiliche Ermittlungen hätten „Anhaltspunkte“ für derartige Vermutungen ergeben. Beweise dafür gibt es aber nicht. Drogenhandel in den Vereinsräumen konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Selbst, daß sich hinter den harmlosen Vereinsfassaden Lasterhöhlen des Glücksspiels verbergen, wurde von Amts wegen nicht bestätigt: „Bei lediglich einem Verein besteht der Verdacht, daß in seinen Räumlichkeiten illegales Glücksspiel durchgeführt wird.“
Daß die SPD-Mitte aus den polizeilichen „Vermutungen“ und Anwohnerbeschwerden wegen Lärmbelästigung zu einem pauschalen Rundumschlag gegen türkische ImmigrantInnen-Treffpunkte ausholt, sorgt indes bei den betroffenen Kulturvereinen für Wut und Empörung.
„Wenn die SPD sowas behauptet, soll sie es erst einmal beweisen“, schimpft Süleyman Cecin vom Verein der Demokraten aus der Türkei. Alles andere sei „rassistische Politik“. „Wir wissen schließlich auch nicht, ob die SPD in Drogengeschäfte verwickelt ist“, so Cecin. Die SPD solle entweder die Behauptungen zurücknehmen oder belegen. Selbst wenn es wahr wäre, so Asiv Özek vom Alevitischen Kulturverein, daß einzelne türkische Vereine in Drogengeschäfte verwickelt sind, sei eine Verallgemeinerung unzulässig, „weil es einfach nicht stimmt“.
Daß sich die SPD offenbar bemühe „möglichst alle Vorurteile zu bestätigen“, wundert die GALierin Stefanie Neveling, Abgeordnete der Bezirksversammlung Mitte, indes überhaupt nicht. Wie man in der Bezirksversammlung über AusländerInnen rede und mit ihnen umgehe, passe zu den jetzt als Bezirks-Hilfssheriffs agierenden Sozialdemokraten durchaus.
Ein „katastrophales Armutszeugnis“ seien die Diffamierungen türkischer Vereine für eine Partei, die sich parteiprogrammatisch für Integrationspolitik einsetze, befand der GAL-Sprecher für Immigrationspolitik Mahmut Erdem. Es könne nicht angehen, daß „alle Vereine über einen Kamm geschoren werden“. Die ImmigrantInnen-Treffpunkte leisten ganz überwiegend wichtige kulturelle und politische Arbeit und seien legal, betonte der GALier. Silke Mertins
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