: Rasante Duelle auf grünem Filz
■ Tipp-Kick: Offenes Turnier am Donnerstag abend von Bundesligaspielern dominiert
Offenes Turnier am Donnerstag abend von Bundesligaspielern dominiert
Die Hauptakteure schauen eher dumpf aus der Wäsche. Sie agieren einbeinig und haben einen Knopf auf dem Kopf. Das Spielgerät mißt lediglich 1,3 cm im Durchschnitt, ist schwarz-weiß und nicht einmal rund. Diese Zutaten begeistern seit bald 20 Jahren weniger Kinder und Teenager, als die, die es eigentlich schon lange besser wissen sollten. Die Rede ist von Tipp-Kick, jener Abart des Fußballspiels, die in heimischen Wohnzimmern immer noch die beliebteste Möglichkeit ist, seinen Vorbildern vom richtigen grünen Rasen nachzueifern.
Eine bekannte Hamburger Stadtillustrierte veranstaltete am Donnerstag abend ein Tipp-Kick-Turnier, dessen Sieger, nachdem er auch noch eine bundesweite Ausscheidung gewonnen hat, sich damit das zweifelhafte Vergnügen erarbeitete, gegen den abgehalfterten Popstar Rod Stewart spielen zu dürfen. So traten dann 29 Spieler und eine Spielerin zum großen Shoot-out an. Mit von der Partie, zum Leidwesen der zahlreich erschienenen Gelegenheitsspieler, fanden sich auch diverse Akteure des Hamburger Bundesliga-, ja, richtig gelesen, Bundesligaclubs TKC Fortuna Hamburg ein. Eine Person durfte hier auch nicht fehlen: Hacky Jüttner, ehemaliger deutscher Meister in dieser Disziplin.
Als Leibesübung anerkannt ist das Treiben auf dem grünen Fils indes nicht. Tipp-Kick wurde per Gerichtsentscheid der Status einer Sportart verwehrt, was den wahren Fan nicht von davon abhält, seinen Sport mit völliger Hingabe zu betreiben. Die Bundesligisten trainieren offiziell zwar nur einmal in der Woche, zuhause indes sind dem Trainingseifer natürlich keine Grenzen gesetzt.
Ute Arfs, einzige Frau im Teilnehmerfeld und ebenfalls Mitglied im TKCFH, sah diese Veranstaltung eher als günstige Gelegenheit ihre Freizeitbeschäftigung, der sie selbst immerhin schon zehn Jahre vereinsmäßig fröhnt, den Menschen der Stadt näherzubringen. Das Forum war gegeben: Die 28jährige konnte sich den Fragen neugieriger Journalisten von Funk und Fernsehen kaum erwehren. Vielleicht schied sie deshalb bereits in der Vorrunde aus.
Doch was sind das für Menschen, die sich in ihrer Freizeit derartig obskuren Vergnügungen hingeben? Die meisten haben eine aktive Fußballgeschichte, Hacky Jüttner war sogar ein sehr bekannter-
1Hamburger Amateurspieler, zu überregionalen Ehren reichte es indes wohl bei keinem der Tipp-Kicker. So verschrieben sie sich mit Haut und Haaren dem Sport auf dem grünen Filz, der in seiner professionellen Form der Ausführung durchaus an eine Mischung aus Billard und Schach erinnert. Nur ist das Spiel wesentlich rasanter, die psychologischen Faktoren aber sind in jedem Fall vergleichbar.
Das bestätigte auch das Endspiel. Die Kontrahenten Sven Leu und Jan Klecz sind beide Bundesliga-Spieler, kommen beide aus dem bereits erwähnten Hamburger Verein und kennen sich aus jahrelangen Trainingsmatches in- und auswen-
1dig. So wurde versucht den Gegner mit einigen Späßen ein wenig zu verunsichern, das Publikum dankte das mit hörbarem Amusement. Am Ende hatte Sven Leu die Spielernase mit 7:6 vorn, konnte seinen Sieg aber erst in allerletzter Sekunde sicherstellen.
Für die weniger beleckten Akteure des Abends war es schade, daß die Vereinsspieler die Endrunde fast ausschließlich unter sich ausmachten. Lediglich zwei „Amateure“ konnten sich in das Feld der wahren Könner schummeln, hatten dann jedoch nichts mehr zu bestellen. Woran erkennt man eigentlich den wahren Künstler an der eckigen Kugel? Rein äußerlich erstein-
1mal daran, daß er ein kleines Köfferchen mit sich führt, welches sein für dieses Spiel nötiges Equipment enthält. Mehrere Ersatzspieler, die außer dem bereits erwähntem dumpfen Gesichtsausdruck wenig mit den bekannten Spielfiguren gemeinsam haben, Stoppuhr, eigene Torhüterfiguren und sogar Ersatzbeine, die im Notfall den gußeisernen Männchen anoperiert werden.
Wer meint, das seien ja alles Spinner, der versuche sich selbst einmal. Er wird feststellen, daß das Spiel ganz schnell zur Sucht werden kann. Ist es ersteinmal soweit, wird derjenige kaum noch von der Platte loszueisen sein. Andreas Hoffmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen