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Archiv-Artikel

Rambo kickt das Ei

Drei Chinesen mit dem Spielerpass: Die NFL versucht, den Markt der Zukunft zu erobern. Teil des Plans ist ein Crashkurs für chinesische Studenten, die in Rekordzeit zu Footballprofis ausgebildet werden

„Das braucht Zeit, vielleicht eine ganze Generation“

AUS TAMPA THOMAS WINKLER

Der junge Mann hat den Spitznamen Rambo erhalten. Genau weiß er auch nicht, wie es dazu kam. Der Grund sei wohl, vermutet er, dass er einen sehr kräftigen Fuß habe. Dann lächelt er ein sehr breites Lächeln. Schließlich ist sein muskelbepacktes Bein sein wichtigstes Utensil, um jene Aufgabe zu erfüllen, die ihm aufgetragen wurde. Der junge Mann soll mehr als eine Milliarde Chinesen für American Football begeistern.

Dazu hat die National Football League (NFL) Rambo zusammen mit zwei weiteren Chinesen nach Tampa geschickt. Die beiden anderen tragen die weniger martialischen Spitznamen William und Sean. In Florida sollen die drei lernen, wie man einen Football durch zwei Stangen kickt. Das nennt sich dann Fieldgoal, zählt drei Punkte und ist komplizierter, als es aussieht. Vor allem, wenn man es vor 66.000 tobenden Chinesen verrichten soll. Denn das ist der Plan: Wenn im kommenden August in Peking die Seattle Seahawks und die New England Patriots aufeinander treffen, um die Volksrepublik mit dem uramerikanischen Sport vertraut zu machen, sollen Rambo, William oder Sean in der Lage sein, ein Fieldgoal zu erzielen und vor allem ausreichend Projektionsfläche für ihre Landsleute bieten.

Bis es so weit ist, müssen Rambo, der im zivilen Leben Ding Long (19) heißt und sonst Rugby spielt, Shen Yalei (22) und Gao Wei (21) einen Crashkurs absolvieren. In Tampa, wo sich die sechs Teams der NFL Europa auf die beginnende Saison des europäischen Ablegers der lukrativsten Profi-Liga der Welt vorbereiten, werden die drei Volkschinesen unterwiesen in der Kunst des Kickens. Beaufsichtigt werden sie dabei von Nicholas Setta, der nach einer erfolgreichen Collegekarriere zwei Jahre lang in der „NFL Europa“ gegen den Ball trat. Nun erklärt er Rambo und seinen Kollegen nicht nur, wie das Lederei möglichst unfallfrei durch die Stangen zu befördern ist, sondern auch die restlichen Feinheiten des Spiels, denn die Chinesen wussten nicht viel von Football. „Nur dass es ziemlich zur Sache geht“, war Gao klar, der zuvor für eine Universitätsmannschaft im Fußballtor stand. Mittlerweile aber hat er festgestellt, dass es sich um „ein sehr interessantes, aufregendes Spiel“ handelt.

Seine Schützlinge, sagt Setta, sind „wie Schwämme, die alles aufsaugen“. Das erste vollständige Footballspiel, das die drei Chinesen gesehen haben, war erst die vor zwei Monaten ausgespielte Super Bowl. Da ist es keine Überraschung, dass sie zwar „noch lange nicht alles verstehen, was auf dem Spielfeld vor sich geht“, so Setta, „aber das geht auch manchen so, die schon seit Jahren Football spielen. Es ist nun mal ein verwirrendes Spiel mit vielen kleinen Details.“

Die Chinesen wurden im vergangenen Sommer bei einer Sichtung in ihrer Heimat ausgewählt, erste Trainingseinheiten mit Setta fanden dann in Oregon statt, bevor die künftigen Entwicklungshelfer nach Tampa umzogen, wo sie mit der Mannschaft von Berlin Thunder Hotel und Trainingsstätte teilen. Demnächst sollen sie mit einem der NFL-Europa-Teams in die alte Welt reisen, dort ihre Fertigkeiten vervollkommnen und diese dann im August vor heimischem Publikum vorführen. Setta findet, die Nachwuchskicker seien dazu „definitiv schon in der Lage“. Natürlich könnten sie kein allzu langes Fieldgoal versenken, aber sie seien doch schon recht sicher aus kürzerer Distanz. Gar „kein Problem“ sei das, findet auch Ding „Rambo“ Long. Die Liga allerdings will ihren Neulingen noch etwas mehr Zeit gönnen: Die drei werden zwar nach Berlin geschickt und in Thunder-Trikots gesteckt, aber erhalten einen Sonderstatus. In einem regulären NFL-Europa-Spiel werden sie nicht zum Einsatz kommen.

Viel wichtiger wird sein, dass im August ein chinesisches Stadion gut gefüllt ist. Denn Rambo, William und Sean sind kleine, aber nicht unbedeutende Rädchen in einem größeren Plan der NFL, den Markt der Zukunft zu erschließen. Das Spiel zwischen den Patriots und Seahawks in Peking gehört ebenso dazu wie ein Programm zur Förderung von Flag-Football, einer Spielvariante ohne Körperkontakt, in drei chinesischen Städten.

Zwar hat die NFL in ihrem Heimatmarkt keine Konkurrenz zu fürchten. Aber die Expansion auf andere Kontinente verläuft nur schleppend. Zu amerikanisch, zu undurchsichtig ist das Spiel. Genau anders herum geht es momentan der Basketball-Liga NBA: Die hat in den USA mit zusehends leeren Hallen zu kämpfen, ist aber dank eines chinesischen Stars dabei, das Reich der Mitte zu erobern – dank des Centerspielers Yao Ming von den Houston Rockets. Eine Footballausgabe von Yao Ming ist zwar nicht in Sicht, aber 1,3 Milliarden potenzielle Kunden kann sich die NFL nicht entgehen lassen.

Ob die sich für das neue Unterhaltungsprodukt werden erwärmen können, da sind sich selbst die von der National Football League entsandten Botschafter nicht sicher. „Das braucht Zeit“, sagt Rambo, „vielleicht eine ganze Generation.“ Sein Namenspate hätte das Problem zweifellos schneller gelöst.