Ramadan: "Das Trinkverbot sehe ich kritisch"
Wer zu schwach ist, sollte das Fasten lassen, sagt Nejla Kaba-Retzlaff, Leiterin des ersten Altenheims für türkische BerlinerInnen.
taz: Frau Kaba-Retzlaff, während Ramadan sollen erwachsene, gesunde Muslime von Morgengrauen bis Sonnenuntergang auf Nahrung, Trinken, Nikotin und Sex verzichten. Welchen Folgen hat das für den Organismus?
Nejla Kaba-Retzlaff: Manche vertragen es gut, andere bekommen Kreislauf- oder Konzentrationsprobleme. Eine meiner Mitarbeiterinnen musste deswegen nach ein paar Tagen das Fasten abbrechen. Wenn man zu schwach ist, sollte man es lassen.
Obwohl der Koran das Fasten als Pflicht vorschreibt?
Wer nicht fasten kann, sollte andere gute Dinge machen: sich um Waisenkinder kümmern, alte Menschen betreuen oder Geld für wohltätige Zwecke geben. Das ist auch im Koran festgelegt.
Ist denn das gesund: Es wird mitunter um fünf Uhr morgens für eine Mahlzeit vor Morgengrauen aufgestanden und abends übermäßig gegessen.
Der Magen verträgt es ja eigentlich nicht, wenn Menschen auf einmal zu viel essen. Der Abend kann in dieser Zeit schon mal lang werden. Und es ist ein Ritual, sich morgens vor Morgengrauen zu wecken, etwas zusammen zu essen und zu trinken und sich dann wieder hinzulegen. Das gibt vielen Familien ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Viele Muslime nehmen während des Ramadan-Fastens nicht ab, sondern zu.
Viele bewegen sich wenig, weil sie durch das Fasten schlapp sind und keinen Sport machen.
Besonders umstritten ist das Ramadan-Trinkverbot.
Ich sehe das auch kritisch. Man müsste in der Zeit, in der man trinken und essen darf, sehr viel trinken, um die Speicher zu füllen. Aber wir sind nun einmal keine Kamele und können nicht so viel speichern. Ein junger Mensch kann sich das gesundheitlich besser leisten als ein alter. Mir persönlich würde Wasser fehlen. Da würde ich Kopfschmerzen bekommen.
Haben es Muslime in Deutschland schwerer, weil Mitmenschen hier Verständnis für das Fasten fehlt?
Es gibt leider viel Unwissenheit über andere Religionen. Ein Beispiel: Wir hatten am Sonntag eine Veranstaltung zum Fastenbrechen mit über 100 Multiplikatoren, Kooperationspartnern und Interessierten. Einige ältere Deutsche waren da, die jahrzehntelang in Berlin mit Migranten zu tun hatten. Aber sie wussten nicht, was Fastenbrechen ist.
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