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Rainer Schäfer Radikale Weine

Es war ein Exodus der besonderen Art: Berthold Clauß gab eine sichere Existenz und seine gewohnte Umgebung auf, als er 1994 mit seiner Frau Susanne und mit „Sack und Pack“ nach Nack am Oberrhein zog. Aufgewachsen ist Clauß im schwäbischen Rüdern bei Esslingen, wo die Winzerfamilie ihr Weingut betrieb. Aber Clauß war so angetan von den Weinbergen um Nack, dass er das Wagnis auf sich nahm.

Das Dorf liegt auf einer Landzunge, die in Schweizer Territorium ragt, Schaffhausen und der Rheinfall sind nur 20 Minuten entfernt. Es war ein Start mit vielen Hindernissen: Nack gehört zu Baden. Badenern und Schwaben wird nachgesagt, dass sie eher die Unterschiede zwischen sich hervorheben als die Gemeinsamkeiten. Familie Clauß kam zunächst in einem alten Bauernhof unter, ihren Hausrat musste sie bei sieben Nachbarn verstauen, die nur mit Mühe zu verstehen waren. In Nack hatte Weinbau zwar Tradition, aber er wurde nur noch von einem Gastwirt im Nebenerwerb betrieben.

Mühsam bepflanzte Berthold Clauß verwilderte Flächen wieder mit Reben. 2003 konnte endlich das eigene Weingut bezogen werden, inzwischen bewirtschaftet er 16 Hektar Weinberge. Clauß baut seine Weine konsequent trocken aus, sie reifen gut in der Flasche. „Ich will keine Weine, die nach der Touristensaison schon wieder abbauen“, sagt der Winzer, der veritable Burgunder erzeugt. Auf Zucker als Gefälligkeitsgaranten verzichtet er komplett. So entstehen Weine, die auch noch Jahre nach der Füllung getrunken werden können.

Clauß hat aber auch ein Händchen für Müller-Thurgau, den er in Nack auf sandigem Lehm und Kies anbaut. Er duftet nach Blumenwiese, am Gaumen zeigt er sich würzig und feingliedrig.

Müller-Thurgau war in den Nachkriegsjahren sehr beliebt. Die Rebsorte brachte große Traubenmengen, ohne dass man viel dafür arbeiten musste. Dementsprechend schmeckten die Weine: dünn und charakterlos. Dass es auch andere Beispiele gibt, zeigt der Müller-Thurgau von Clauß. Er ist ein stimmiges Plädoyer für diese unterschätzte Rebsorte.

Berthold Clauß ist längst heimisch geworden in Nack, er ist auch einer der Schöpfer der „Nacker Werke“. Mit dem Koch Gerd Saremba aus dem Gasthof „Zum Kranz“ und dem Musiker Jan Žáek bietet Clauß einen Dreiklang an aus Musik, Kulinarischem und natürlich Weinen. Und das alles mit einer hehren Bestimmung: „Zur Wartung der Sinne“.

Nacker Müller-Thurgau 2015, Weingut Clauß, 7 Euro, Bezug über www.weingutclauss.de

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