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Raffinierte Unfertigkeit

■ Unter dem Motto „A Drawing Retrospective“ zeigt die Kunsthalle David Hockney mit Zeichnungen aus den Jahren 1954 bis 1995

Ohne Zeichnen kann er nicht leben. Mehr noch als Malen ist für David Hockney Zeichnen die unmittelbarste und wichtigste Reaktion des Künstlers auf die Welt. Doch seit fünfzehn Jahren wurde das zeichnerische Werk des englischen Künstlers in keiner größeren Ausstellung mehr gezeigt. Dem hilft jetzt Ulrich Luckhardt von der Hamburger Kunsthalle ab, der in enger Zusammenarbeit mit dem 58jährigen Künstler eine Retrospektive erarbeitet hat. Von seinen Studientagen an der Bradford School of Art 1954 über den „Royal-College-Stil“ bis zu den neuen, großen Collagen aus Skizzenblättern und farbigen Guachen präsentieren 170, teils noch nie gezeigte Arbeiten einen Querschnitt durch 40 Jahre zeichnerische Welterfassung.

Hockney ist unter den Pop-Artisten der mit der meisten Painture, dem klassischen Strich und einer stets etwas kokett präsentierten Unfertigkeit. Der ungestüme Maler aus dem Swinging London der 60er hat in seiner Wahlheimat Los Angeles zu Bildern gefunden, die sich auf subtile Art in den Alltag zurückverwandelt haben: Die Pools von Hollywood erscheinen wie Zitate aus Hockneys Bildern – und nicht etwa umgekehrt. Dabei sind auch diese ikonischen Blätter nur scheinbar realistische Abbilder. Ihnen ist immer eine malerische oder poetische Differenz eingeschrieben, sie bleiben mehr oder weniger von der Linie dominiert.

Obwohl er die traditionelle Zeichnung schätzt, ist Hockney kein Akademiker. Er hat neue Techniken erfunden, wie seine Kombinationsbilder aus gepreßtem Zellulosebrei, er hat sich zwischen Bühnenbild und Fotografie in vielen Sparten der Kunst erfolgreich getummelt. Kaum einer versteht es so gut, einen einfachen Blumenstrauß oder einen Stuhl mit einem Koffer bedeutend zu machen. Trotz solcher Stilleben und den bekannten künstlichen Landschaften von Gärten und sonnigen Straßen unter kalifornischer Sonne ist Hockneys zentrales Bildthema meist der Mensch. Figuren in allen denkbaren Situationen zwischen Dusche und Schreibtisch und immer wieder Porträts seiner Freunde. Und daß er seine Motive mehr oder weniger deutlich einem homoerotisch geprägten Umfeld entnimmt, ist dabei kein Nachteil.

Es gibt Kritiker, die Hockney für den größten Zeichner seit dem Jugendstilkünstler Aubrey Beardsley halten. Nicht nur der Jet Set, dem sich das Arbeiterkind aus Yorkshire inzwischen längst zurechnen darf, kauft seine Kunst, auch als Poster in der WG kommen seine leicht wirkenden, pastellfarbenen Bilder gut. Es ist jene perfekte Mischung aus Raffinesse und Naivität, die gar nicht umhin kann, erfolgreich zu sein. Daß die Ausstellung in Hamburg erarbeitet wurde und hier startet, ist eine kleine Sensation. Von hier geht sie zu den beiden wichtigsten Städten im Leben Hockneys – nach London zur Royal Academy of Arts und in das Los Angeles County Museum of Art.

Hajo Schiff

Eröffung: Do, 24. 8., 18 Uhr,

Hamburger Kunsthalle, bis 22. 10.

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