Räumung droht: Umsonstladen soll wieder weichen
Auf der Kastanienallee soll das Souterrain eines ehemals besetzten Hauses geräumt werden.
Andreas Schmidt* steht zwischen Regalen voller Bücher, neben ihm ein Ständer mit bunten Kleidern, in der Ecke stehen Brettspiele gestapelt. Das Angebot des Umsonstladens ist umfassend. Die Idee dahinter: Wer sein Hab und Gut nicht mehr braucht, bringt es hierher ins Souterrain der Kastanienallee 86. Bis zu drei Teile darf ein Besucher wieder mitnehmen - ohne etwas dafür zu bezahlen. "Ein gesellschaftliches Problem fußt auf dem reinen Eigentumsgedanken", erklärt Schmidt den Hintergedanken.
Eigentum ist ein Thema, das alle Bewohner des Hauses in Prenzlauer Berg zur Zeit umtreibt. Am morgigen Dienstag hat sich der Gerichtsvollzieher angekündigt, er will den Umsonstladen räumen. Eigentümer des Hauses ist der Berliner Arzt Michael Brauner; er möchte die Räume als Laden vermieten. Klar, dass die Bewohner das nicht hinnehmen wollen. Ihr Anwalt Moritz Heusinger sieht in den Mietverträgen der Wohnungen auch eine Berechtigung für die Nutzung des Kellers. Doch das Landgericht hat diesen Anspruch abgewiesen. Laut Heusinger ist eine Räumung dennoch unzulässig. Denn das Gericht habe den Räumungsbescheid auf drei Leute ausgestellt, die eine Galerie im Keller betrieben haben. Diese Personen nutzten den Keller längst nicht mehr.
In dem ehemals besetzten Haus wohnen 80 Menschen. "Wir sind ein stinknormales, linkes Hausprojekt", sagt Andreas Schmidt. Erst beherbergen die Kellerräume eine Punkerkneipe, dann die Galerie Walden. Vor einiger Zeit zog der Umsonstladen hierher, vertrieben aus der Brunnenstraße 183. Das Haus war vom Eigentümer geräumt worden.
Die Geschichte des Hausprojektes begann nach der Wende, als das leerstehende Haus besetzt wird und die Wohnungsbaugesellschaft mit den Bewohnern Mietverträge abschloss. "Wir haben ausgehandelt, dass das unsere Räume sind", so Schmidt. Es habe eine mündliche Vereinbarung gegeben, dass die Gemeinschaftsräume Teil des Hausprojekts bleiben.
Eigentümer Brauner sagt, er habe das Haus 2002 mit zwei Investoren gekauft. Sie hätte "keine Luxussanierung" geplant, sondern wollten das Dach und den Keller ausbauen und vermieten. Damit sollten die Mieten der Bewohner "quersubventioniert" werden, so Brauner, der betont: "Ich hänge sehr an dem Haus."
Anwalt Heusinger hofft auf weitere Gesprächsbereitschaft des Eigentümers und spricht davon, dass der Hausverein auch Miete zahlen wolle. Schmidt sagt jedoch, die Gespräche seien immer an den "Renditevorstellungen" des Vermieters gescheitert. "Ortsübliche Mieten" könnten sie nicht bezahlen. Brauner entgegnet, er wolle erst den Zustand des Hauses prüfen und dann über Sanierungskosten und den Mietrahmen zu sprechen. Er sagt: "In dem jetzigen Zustand wird das Haus irgendwann zusammenbrechen."
* Name geändert
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