„Räuberpistolen“ vom Verfassungsschutzchef

■ Schnüffelausschuß Magdeburg: Verfassungschutz handelte ungesetzlich

Magdeburg (taz) – Der frühere Leiter der Verfassungsschutz-Außenstelle Magdeburg, Jürgen Schaper, hat in der Zeit von August bis November 1991 ohne irgendeine gesetzliche Grundlage in der Vergangenheit von Sachsen- Anhalts stellvertretendem Ministerpräsidenten Wolfgang Rauls (FDP) herumgeschnüffelt. Dies mußte am Freitag der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Landtags einräumen. Der Ausschuß soll klären, ob Ministerpräsident Werner Münch (CDU) oder andere Vertreter seiner Regierung von den Schnüffeleien Schapers wußten oder sie gar in Auftrag gegeben haben, nachdem im Sommer 1991 durch das Magdeburger Bürgerkomitee mehr als zweifelhafte Gerüchte über eine Stasi-Vergangenheit Rauls in die Welt gesetzt worden waren.

Schaper selbst wollte seine Schnüffeleien nicht als Ermittlungen bezeichnet wissen. „Nachdem erste Informationen über eine Stasi-Belastung von Herrn Rauls auftauchten, versuchte ich natürlich herauszubekommen, wie sicher und belegbar diese Hinweise waren“, sagte er vor dem Ausschuß. „Und natürlich versuchte ich auch, weitere Informationen zu sammeln.“ Zu diesem Zweck antichambrierte Schaper mehrfach beim niedersächsischen Verfassungsschutz und horchte auch wiederholt die Mitglieder des Bürgerkomitees zur Auflösung der Staatssicherheit aus. Alles ohne rechtliche Grundlage. Denn nach dem Verfassungsschutzgesetz dürfen die Kölner Schnüffler in Stasi- Angelegenheiten nur dann tätig werden, wenn der Verdacht besteht, daß der Verdächtige nicht nur als IM im Innern der DDR, sondern auch in der Spionage gegen die gute alte Bundesrepublik tätig war. Für letzteres gab es im Falle Rauls ebensowenig Anhaltspunkte wie überhaupt für einen konkreten Verdacht früherer Stasi-Kontakte.

BfV-Chef Werthebach versuchte denn auch mit einer Räuberpistole, das Vorgehen seines Mitarbeiters im nachhinein doch noch ein Stück weit zu rechtfertigen. „Ein großer Teil der Stasiakten wurde ja nach der Wende nach Moskau verschoben“, erklärte er den staunenden Abgeordneten des Untersuchungsausschusses. „Hätte der KGB Erkenntnisse über eine Stasi-Verstrickung von Herrn Rauls gehabt, hätte er damit den Minister als Regierungsmitglied eines Bundeslandes erpressen können.“ Und damit wäre der Verfassungsschutz doch wieder für den Fall zuständig gewesen.

Schapers Vorgehen war aber in jedem Fall, so räumte Werthebach ein, „eher unüblich“ für die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Dazu zähle, daß er zwar Regierungsstellen in Sachsen-Anhalt jeweils brandaktuell über den Stand seiner Nachforschungen informiert hat, nicht aber das Bundesamt in Köln.

Auch daß sämtliche Akten bei der Auflösung der Magdeburger Außenstelle vernichtet wurden, anstatt sie im Kölner Archiv einzulagern, entspricht nach Angaben Werthebachs nicht den allgemeinen Gepflogenheiten seiner Behörde. Diese Vernichtungsaktion wurde übrigens im Herbst durchgezogen, also nachdem der Spiegel in zwei Veröffentlichungen bereits schwere Anschuldigungen gegen Münch und den Verfassungsschutz erhoben hatte. Aber, so beteuerte Schaper, „mit den Spiegel-Veröffentlichungen hatte die Aktenvernichtung wirklich nichts zu tun“.

Bedauerlich findet es der Verfassungsschützer, daß die Akten nicht vollständig vernichtet wurden. „Leider, leider, leider wurde es versäumt, meine Vermerke von den Regierungsstellen zurückzufordern und ebenfalls zu vernichten.“ So kamen nach und nach die Belege für Schapers regelwidriges Vorgehen ans Licht. Und in diesem Licht sieht der Verfassungsschutz nicht sonderlich gut aus. Eberhard Löblich