Radsport: Auf dem Kriegspfad
Andreas Klöden schweigt stur, wenn es um das Thema Doping geht. Nach dem Prolog gilt ausgerechnet er als Top-Favorit auf den Tour-Sieg
Ach, wird man gewiss wieder sagen, das war ja nur der Prolog, das waren ja erst 8 von 3.500 Kilometern, das Ergebnis bedeutet noch gar nichts. So hatte allerdings auch Jan Ullrich nach dem Prolog im Jahr 2004 seinen 14-Sekunden-Rückstand auf Lance Armstrong heruntergespielt. Aber, man erinnere sich, am Ende der Tour hatte Ullrich fast 9 Minuten Rückstand auf Armstrong.
Insofern bedeutet das Prolog-Ergebnis eben doch etwas. Die Tatsache, dass Andreas Klöden am Samstag seinen Hauptgegnern um den Tour-Sieg zwischen 23 und 30 Sekunden abgenommen hat, weist ihn ohne Zweifel als überlegenen Favoriten in diesem Jahr aus. 30 Sekunden auf 8 Kilometer - da darf man schon von Dominanz sprechen.
Außer Klödens überragender Form zeichnete sich am Samstag und in den vorangegangenen Tagen aber im Hinblick auf die kommenden Wochen noch etwas anderes ab. Andreas Klöden hat den Medien und der Öffentlichkeit den Krieg erklärt. Als er nach seiner Prolog-Vorstellung stumm im türkisblauen Bus seiner kasachischen Mannschaft verschwand, war dies nur die konsequente Fortsetzung seines übellaunigen Auftritts bei der Mannschaftspräsentation am Donnerstag. Mit tief in das Gesicht gezogener Baseballkappe gab er ungefragt bekannt, dass er nur über seine Form reden werde und dass er sich weigere, über "irgendwelche durchgeknallten Jaksches" zu sprechen.
Klöden mag die Medien nicht. Aus seiner Sicht hat diese Abneigung auch einen guten Grund. Als er im Jahr 2004 Zweiter der Tour de France wurde, nahm kaum jemand davon Notiz. Wesentlich interessanter war es damals, dass Jan Ullrich "nur" Vierter wurde. Es war die Fortsetzung von Klödens Erfahrung, seit er 1998 als Neuprofi zum damaligen Team Telekom kam und schon 2000 mit dem Sieg beim Klassiker Paris-Nizza und mit seiner Olympia-Medaille sein großes Talent bewies.
Verstärkt wurde Klödens Abneigung gegen die Medien, als die gleichen Leute, die sich vorher um nichts anderes geschert hatten als um Jan Ullrich, sich nach den Enthüllungen über dessen Verstrickung in die Operación Puerto vehement gegen das einstige Idol wendeten. Spätestens diese Entwicklung löste endgültig Klödens Unleidlichkeit aus, damals noch ein wenig gebremst durch die professionelle PR-Abteilung des Teams T-Mobile. Bei Astana scheint hingegen niemand zu sein, der ihn zu vorsichtigerem Auftreten ermahnt.
Klödens Selbstdarstellung wirft freilich im jetzigen Klima des angebrachten Generalverdachts Fragen auf. Wenn man eins und eins zusammenzählt, ergibt sich ein Bild, das für Klöden nicht gut aussieht. Da ist zunächst einmal die Nähe von Klöden zu Jan Ullrich. So eng waren die beiden miteinander vertraut, dass Klöden in die Schweiz zog, um täglich mit seinem Freund trainieren zu können und im Kreis der Familien die Abendstunden zu verbringen.
Da ist weiter die standhafte Weigerung Klödens bis heute, die Verdachtsmomente gegen Jan Ullrich auch nur in Betracht zu ziehen. Stattdessen ereiferte sich Klöden von Anfang an darüber, dass sein Freund behandelt werde wie ein Krimineller. Als Ullrich nach seiner Rücktrittserklärung bei Beckmann auftrat, wurde Klöden zugeschaltet. Nur Gutes kam über des guten Freundes Lippen, was für ein toller Kapitän und guter Kumpel Ullrich gewesen sei und dass er ihn auch so in Erinnerung behalten werde. Viele weitere glückliche gemeinsame Stunden im Privaten zusammen mit Ullrich wünschte sich Klöden abschließend noch.
Diese beinahe schon bewundernswerte Nibelungentreue trug letztlich gewiss dazu bei, dass Andreas Klöden kein Teil des Neuanfangs beim Team T-Mobile mehr war. Zusammen mit Matthias Kessler und Alexander Winokurow, den beiden anderen Männern im engsten Kreis um Jan Ullrich bei T-Mobile, gründete er das kasachische Team Astana. Ein Team, das wie kein zweites für die "alte" Mentalität im Radsport steht, für das Herunterspielen des Dopingproblems, für das Mauern und das Leugnen. Insofern ist Andreas Klöden sicher kein glücklicher Top-Favorit für eine Tour, die einen Neubeginn signalisieren soll. Andreas Klöden ist ein Fahrer, der für alles andere als ein Umdenken im Radsport steht.
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