Radiomoderator leimt SPD-Politikerin Ypsilanti: Der falsche Franz
Ein Radiomoderator linkte SPD-Politikerin Ypsilanti am Telefon. Der Mitschnitt erschien im Internet. Medienjurist Schertz rät der Partei zur Klage gegen den Sender.
BERLIN taz Andrea Ypsilanti sitzt gerade in einer Besprechung, als das Telefon in der SPD-Fraktion im hessischen Landtag klingelt. Der Anrufer gibt sich als Mitarbeiter von Franz Müntefering aus. Das Gespräch wird sofort durchgestellt. Der angebliche Parteichef kommt schnell zur Sache. Er erkundigt sich nach der Lage, mäkelt an ihrer geplanten Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke herum und macht der Fraktionschefin ein Angebot: Sie solle Roland Koch (CDU) als Ministerpräsidenten im Amt belassen und dafür Generalsekretärin der SPD in Berlin werden. Ypsilanti lehnt empört ab. Dann lässt der Anrufer die Bombe platzen: Er sei Moderator des Hannoveraner Senders Radio ffn.
"Ich war selbst überrascht, wie schnell ich sie am Telefon hatte", sagt Müntefering-Imitator Jochen Krause der taz. So scheint das sieben Minuten lange Telefonat am Mittag des 10. September abgelaufen zu sein, glaubt man dem Eindruck, den ein knapp zwei Minuten langer Mitschnitt vermittelt, der beim Online-Videoportal Youtube zu sehen ist.
Das Mitschneiden von Telefonaten ohne Wissen des Gesprächspartners ist in Deutschland nicht erlaubt. Damit der Sender das Gespräch hätte veröffentlichen dürfen, hätte Ypsilanti ihr Einverständnis erteilen müssen. Das tat sie nicht. Eigentlich wäre die Geschichte damit erledigt gewesen.
Doch dann schrieb die Bild-Zeitung, deren Verlag Axel Springer an Radio ffn beteiligt ist, über das Telefonat, und der gekürzte Mitschnitt tauchte bei Youtube auf. Über 80.000-mal wurde das Video bis gestern Nachmittag angeklickt. Die hessische SPD-Fraktion tobt vor Wut. Hessen seien humorvoll, aber ein illegaler Mitschnitt und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten könne nicht hingenommen werden, sagt Sprecher Frank Steibli. "Hier geht es um Grundsätze unseres Rechtsstaates. Das beschädigt das Verhältnis zwischen Journalismus und Politik."
Der Sender gibt sich ratlos angesichts der Frage, wie das Audiomaterial ins Internet geraten ist. "Ich würde jederzeit eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben, dass ich damit nichts zu tun habe", sagt Moderator Krause. Auch alle übrigen Mitarbeiter hätten ihr versichert, den Mitschnitt nicht weitergegeben zu haben, sagt Radio-ffn-Programmdirektorin Ina Tenz. Moderator Krause wertet es als "Coup", Ypsilanti reingelegt zu haben. Die SPD prüft juristische Schritte - und hat damit nach Einschätzung des Medienjuristen Christian Schertz gute Chancen. "Es ist nicht nur eine Persönlichkeitsrechtsverletzung", sagt er. "Das heimliche Mitschneiden ist eine Straftat. Ich würde Strafantrag stellen." Doch die Vorwürfe der SPD gehen noch weiter: Radio ffn habe den Mitschnitt absichtlich an die Bild-Zeitung gegeben, behauptet Sprecher Steibli. "Es gab nur zwei Wissende. Und wir waren es nicht." Der Sender müsse nun dafür sorgen, dass alle Mitschnitte wieder aus dem Netz verschwinden. "Da können sie sich mal anstrengen", spottet Steibli. "Dann machen sie vielleicht mal was Gutes."
Schon vor seiner Fraktionschefin gingen unzählige prominente Opfer bei sogenannten "Prank calls" falschen Anrufern auf den Leim. Fußballer Lothar Matthäus nahm am Hörer ehrfürchtig ein Job-Angebot an, als sich ein Radiomoderator als bayrischer Ministerpräsident Edmund Stoiber ausgab. Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez glaubte mit seinem kubanischen Kollegen Fidel Castro zu plaudern, als ihn in Wirklichkeit der Angestellte eines US-Radiosenders anrief. Doch der Fall Ypsilanti geht tiefer, als es der Spott über die Unbedarftheit von Matthäus vermochte. Der Mitschnitt zeigt, wie Politiker in Deutschland reden, wenn sie Mikrofone für ausgeschaltet halten, ihre mediale Maske abnehmen und Tacheles statt Sprachregelungen zu hören sind. Und er verrät viel über die Motive Ypsilantis, die umstrittene Kooperation mit der Partei Die Linke gegen alle Widerstände durchzupeitschen. Sie würde nicht als Generalsekretärin nach Berlin gehen, weil sie sich in ihrem Bundesland dann als politisch erledigt ansähe, sagt sie sinngemäß knapp und mit reichlich hessischer Mundart. Es geht also auch um ihre Zukunft.
Die aufschäumende SPD sollte dennoch lieber Contenance bewahren, rät Medienpsychologe Jo Groebel. Ein selbstbewusster Spitzenkandidat müsse so etwas aushalten und Schaden werde Ypsilanti durch den Vorfall nicht entstehen. "Es bestärkt lediglich bestehende Urteile", sagt der Leiter des Deutschen Digital Instituts in Berlin. "Ich glaube nicht, dass sie jetzt zum Lothar Matthäus der Politik wird."
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