■ Radiodays: Donnerstag
Im 14. Jahrhundert war der Dichter Petrarka so nett, das Sonett zu erfinden. Eine Gedichtform, die auf 14 Zeilen vor Fleischeslust platzte. Aus dem Leistungskurs Englisch wissen wir, daß der ökonomische Einstropher von den Briten schleunigst auf die Insel kopiert wurde, um dort zu weiterer Blüte zu gelangen. Damals – Lichtjahre entfernt vom „no sex please we're British“ – wurden deftigste Pornoträume zusammengereimt. Ganz oben in den Charts: Männer- und Frauenfreund Shakespeare.
Als dann die gesamteuropäische Pest des Klassizismus das fröhliche Drunter und Drüber gebändigt hatte, geisterte das Sonett ab und an wieder als Emblem poetischer Auflehnung durch die Jahrhunderte. Es wurde still um die Form.
Bis ausgerechnet Günter Grass, der Alt-47er, seine Trommeln, Katzen und Rättinnen beiseite legte, um eine ganz andere Art der Vereinigung zu verarbeiten: Seine 13 Sonette mit dem trüben Titel Novemberland haken Deutsch-Deutsches ab, von A wie Arbeitslosigkeit bis X wie Xenophobie. Darüber und über anderes spricht der Dichter beim NDR 3 ab 20.15 Uhr .
Was der Moderne die Montage, ist der posthistoire der Palimpsest. Dieses Abkratzen und Überschreiben pergamentener Dokumente ist auch so eine altkulturelle Technik, die von Klangkünstler Juan Allende-Blin in den akustischen Raum transferiert wird: um 21 Uhr auf S2-Kultur.
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