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■ RadiodaysMittwoch

Hätten Sie es nicht auch gerne gesehen, daß in „Schindlers Liste“ die geschundene Haushälterin des eiskalten Goeth einfach kurzen Prozeß mit ihrem Peiniger macht? Gerade erst gedacht, kontrollierte ich seinerzeit noch im Kino meinen Wunsch und erinnerte mich, daß so befreiende Aktionen ja doch nur im Fiktionskino passieren. Weit gefehlt, belehrt mich ein wichtiges Feature von Paul Kohl. Dem gelang es nämlich, aus der Geschichte des sowjetischen Widerstands gegen Hitlers Besatzer einen „Mosaikausschnitt“ zu rekonstruieren: Im Tauwetterjahr 1988 saß Kohl in Minsk der Jelena Masanik gegenüber. Einer Frau, die 1943 als junge Partisanin ihren Dienstherren Wilhelm Kube ins Jenseits beförderte. Sie war – und das ist die Verbindung zu „Schindler“ – das Zimmermädchen dieses hohen Nazis, der seit 1941 als Chef der Zivilverwaltung in Minsk unter dem harmlos klingenden Aufgabenbereich Generalkommissariat „Blutarbeit“ zu leisten hatte. Im Klartext: Erfassung von Zwangsarbeitern, Zerschlagung der Partisanenbewegung und Abschiebung aller Juden in die Vernichtungslager.

Kurz bevor das „Mädchen“ Jelena die Mine unterm Bett des Tyrannen verbarg, wurde die Geschichte komplizierter, es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen der Partisanin und Frau Anita Kube. Gegen alle Chancen überlebte sie das Attentat. Was wird sich Jelena gefreut haben, daß Autor Kohl fünf Jahre nach ihrem Minsker Gespräch die Witwe Kube ausfindig machte, die der Attentäterin einen versöhnlichen Brief überbringen ließ. Blutarbeit im Osten zeichnet all diese Verschlingungen der Tat- Perspektiven und Lebensläufe nach und zeigt so, daß Geschichte vertrackter ist als ein Filmskript. (SFB 3, 22.30 Uhr). GeHa

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