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Rabins Truppe im Zwielicht

Zwei Soldaten in Haft / Presseberichten zufolge begruben sie vier junge Palästinenser in der Westbank mit Bulldozer bei lebendigem Leib / Anwohner konnten sie retten / Kritische Zeitungsartikel häufen sich  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In der israelischen Presse mehren sich kritische Berichte über die Praxis der Militärs in den besetzten Gebieten. Jüngstes Beispiel für die lautwerdende Kritik ist die Festnahme zweier Soldaten, die unter dem Verdacht stehen, am 5.Februar vier junge Palästinenser aus der besetzten Westbank in dem Dorf Salem lebendig begraben zu haben. Der Vorfall wird gegenwärtig von der Armee untersucht. Nach Aussagen einer Sprecherin gehe das Militär jedoch davon aus, daß Presseberichte über den Vorfall zutreffend sind.

Die arabische Zeitung der Kommunistischen Partei in Haifa, Al Ittihad, hatte bereits letzte Woche die Ereignisse in Salem geschildert. Israelische Journalisten, die den Wahrheitsgehalt des Artikels zunächst anzweifelten, recherchierten nach. Am Sonntag wurde dann auch in der hebräischen Presse über den Vorfall berichtet. Wie aus den Artikeln hervorgeht, waren palästinensische Jugendliche aus Salem bei einer Demonstration von Soldaten und Einwohnern der Siedlung Elon Moreh verprügelt worden. Ein Soldat habe dann vier junge Palästinenser aufgefordert, sich auf den Boden zu legen, um sie mit Schlagstöcken zu traktieren. Schließlich sei ein Bulldozer geholt worden, der die Verletzten unter einer 30 Zentimeter dicken Schicht Erde lebenbig begraben habe – unter dem Beifall israelischer Siedler. Nachdem die Soldaten den Tatort verlassen hätten, seien Palästinenser aus dem Dorf in der Nähe von Nablus gekommen und hätten die vier ausgegraben und in ein Krankenhaus gebracht. Zwei seien bereits bewußtlos gewesen. Der Befehlshaber der israelischen Truppen in der Westbank, General Amram Mitzna sagte, so etwas habe er sich in seinen „schlimmsten Träumen nicht vorstellen“ können.

Die Ereignisse in Salem haben in Israel erneut die Forderung laut werden lassen, Verteidigungsminister Jitzhal Rabin (Arbeiterpartei) solle seine Haltung zur „Politik des Schlagstocks“ und Fällen willkürlicher Gewaltanwendung gegenüber Palästinensern offenlegen. In der Regel verweisen die Soldaten auf Befehle von Vorgesetzten, wenn ihnen „Übergriffe“ vorgeworfen werden. Mittlerweile haben jedoch Ex-Justizminister Haim Zadok und der ehemalige Generalstaatsanwalt Jitzhak Zamir die Soldaten aufgefordert, sie sollten ungesetzliche Befehle nicht befolgen. Ähnlich äußerte sich der Knesset-Abgeordnete der linkssozialdemokratischen Mapam, Jair Zaban.

Alle drei appellierten an Verteidigungsminister Rabin, umgehend seine Anweisungen an die Soldaten in den besetzten Gebieten bekanntzugeben, damit der Schaden nicht zum Politikum werde.

Ob Rabin das noch vermeiden kann, ist fraglich. Angesichts der sehr kritischen Berichterstattung in einem Teil der israelischen Presse wäre Eile geboten. Die Zeitung „Yediot Aharonoth“ veröffentlichte am Montag den Bericht eines israelischen Militärarztes, der seinen dreiwöchigen Reserveeinsatz in dem Militärgefängnis „Ansar II“ absolvierte. „Diese Schläge, diese Demütigungen... ich habe sie (die Palästinenser) mit bitteren Tränen in den Augen, übersät mit Blutergüssen, dreckverschmiert, geknebelt und gefesselt auf mich zukommen sehen“, berichtete der Arzt laut einer Meldung von afp. „Sie sind überall geschlagen worden, auf die Hände, auf den Rücken, ins Gesicht. Die Soldaten haben inzwischen gelernt, Schläge zu versetzen, die höllisch wehtun, aber nur Blutergüsse und keine Knochenbrüche hinterlassen“, erzählte der Arzt, der namentlich nicht genannt werden wollte. „Es ist wahr, hier gibt es keine Gaskammern und Konzentrationslager, aber wir sind nicht mehr weit davon entfernt“.

In „Ansar II“ im Gaza-Streifen sind Hunderte von Palästinensern untergebracht, die seit September von israelischen Soldaten festgenommen worden waren. „Am Anfang hatte ich nachts Alpträume, die mich verfolgt haben. Dann bin ich abgestumpft. Jetzt will ich versuchen, einfach zu vergessen, daß ich jemals hier war“, lautete das Fazit des Militärarztes über seinen Reservisteneinsatz.

Die Praktiken Israels in den besetzten Gebieten hat eine Gruppe von amerikanischen Intellektuellen zu einem Appell an die Juden in den USA veranlaßt, ihren Einfluß für eine Änderung des israelischen Vorgehens geltend zu machen. Die Initiative von Irving Howe, Arthur Herzberg, Henry Rozovsky und Michael Walzer wurde von bekannten jüdischen Philosophen und Juristen in Großbritannien aufgegriffen. In ihrer Erklärung heißt es, die „Politik der eisernen Faust“ werde nur zu mehr Haß, einer schärfereren Reaktion der Palästinenser und der Brutalisierung junger Israelis in den Streitkräften führen.

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