Rabbiner angegriffen: Zentralrat sieht No-go-Areas im Westen
Ein Rabbiner ist in Frankfurt niedergestochen worden. Der Zentralrat der Juden ist schockiert. Die Polizei geht von einer spontanen Tat aus.
Der Zentralrat der Juden ist bestürzt über den Angriff auf einen Rabbiner in Frankfurt am Main. "Ich habe das Opfer bereits im Krankenhaus besucht und bin schockiert und wütend", sagte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. Sie hatte das Opfer am Wochenende im Krankenhaus besucht. Angesichts der sich häufenden Gewaltakte gegen Minderheiten in Deutschland müsse man sich fragen, "ob die Diskussion um No-go-Areas nicht auch auf andere Teile in der Bundesrepublik als nur den Osten ausgeweitet werden muss".
Der Rabbiner wurde am Freitagabend gegen 20.30 Uhr im Frankfurter Stadtteil Westend angegriffen. Dort war der 42-Jährige mit zwei Bekannten unterwegs. Sie schilderten später der Polizei, dass ein Mann in Begleitung zweier Frauen den Rabbiner mit arabisch klingenden Worten ansprach. Der Mann habe südländisch ausgesehen. Der Geistliche, der die jüdische Kopfbedeckung, eine Kippa, trug, habe die Worte nicht verstanden. Daraufhin habe ihm der Täter auf Deutsch mit dem Tod gedroht und mit einem Messer zugestochen. Danach seien der Täter und die beiden Frauen in verschiedene Richtungen geflohen. Das Opfer konnte eine Klinik erreichen, wo die Stichwunde am Bauch umgehend operiert wurde. Nach Polizeiangaben wurde er auf der Intensivstation weiterbehandelt, schwebte aber zu keinem Zeitpunkt in Lebensgefahr.
Bis Sonntagmittag habe es keine heiße Spur von dem Täter gegeben, sagte Manfred Feist, Sprecher der Frankfurter Polizei, der taz. Nur eine vage Personenbeschreibung liege vor. Momentan wird nach einem südländisch aussehender Mann, etwa 20 bis 30 Jahre alt, mit dunklen, kurzen Haaren gesucht. Die Ermittler gehen von einer spontanen Tat aus. Anhaltspunkte für einen gezielten Anschlag hätten sich bislang nicht ergeben.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (beide CDU) verurteilten die Tat. Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, warnte vor einem Generalverdacht gegenüber Muslimen. "Aber führende Vertreter muslimischer Verbände müssen sich fragen lassen, was sie konkret gegen Hassprediger und die wachsende Radikalisierung unter jungen Muslimen unternehmen." Auch wenn es sich um eine spontane Tat handele, gelte: "Die Saat für solche Motive wird von Hasspredigern auch in islamischen Gemeinden in Deutschland gelegt und nicht nur in Trainingslagern für Terroristen." Eine Meinung, die auch Eldad Beck, Jude und Deutschlandkorrespondent für die israelische Zeitung Jedioth Ahronoth teilt. "Es gibt ein riesengroßes Antisemitismusproblem in den muslimischen Gemeinden, sowohl in den arabischen als auch den türkischen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“