ROHSTOFFQUELLE : Menschliche Ersatzteile
Der Andrang im Sitzungssaal des Reichstages war groß. Rund 60 Experten waren diese Woche geladen, um vom Gesundheitsausschuss über das von der Bundesregierung geplante Gewebegesetz befragt zu werden. Die meisten kamen aufgrund der knappen Zeit erst gar nicht zu Wort. Dafür war der Unmut über das Gesetz fast einmütig. Körpergewebe – Hornhäute zum Beispiel oder Herzklappen – sollen künftig rechtlich wie Arzneimittel aufgefasst werden. Eigentlich soll das Gesetz ja nur der Qualitätssicherung dienen. Körpergewebe soll nur noch in geprüften und zugelassenen Einrichtungen entnommen und in Gewebebanken bevoratet werden. Bisher gibt es in diesem Bereich einen nicht durchdringbaren Wildwuchs. Hier für einen besseren Über- und Durchblick zu sorgen, ist längst überfällig. Doch der Entwurf sieht vor, dass künftig auch OP-Säle, in denen tagtäglich die schwierigsten Operationen vorgenommen werden, jetzt noch einmal zertifiziert werden – extra für die Gewebeentnahme. Viele Zentren werden diese Kosten nicht tragen können, sie werden schließen, kritisierten zahlreiche Fachleute. Noch weitaus dramatischer können die Folgen sein, wenn Herzklappen oder Hornhäute als Arzneiprodukte gelten, denn mit Produkten darf auch Geld verdient werden. Nicht nur für die Bundesärztekammer ist dieses Gesetz daher auch das Einfallstor für den Handel mit Körperteilen. Nicht mehr der Patient, der dringend eine Gewebespende benötigt, wird sie dann bekommen, sondern der, der das meiste Geld dafür hinlegen kann. WOLFGANG LÖHR