: RIECHERINNERUNGEN
■ Rosen - nicht mehr zeitgerecht
Samstag - „Hoffest“ in H.
Gott läßt regnen auf „Zehn Jahre Grüne“. Ich nehme nur Rosen aus eigenem Garten mit zu dieser Öko-Messe, will tauschen, nichts kaufen.
Ist es nicht ein Ziel grüner Politik, vom Wahrenkarackter der Dinge und Dienstleistungen etwas abzurücken? Mal sehen mal riechen: Ich nehm extra kein Geld mit auf's „Fest“.
„Rosen kann ich nicht brauchen“, sagt der Mann, der Umweltschutzpapier verkauft. Ein anderer, unter der Parka -puze eine Folterzigarette in den grimmigen Bart gesteckt: „Was soll ich mit Rosen“, ohne sie wahrzunehmen, streift sie gerade mit seinem Blick. Natürlich - es ist Rosenzeit jetzt, Massen von Rosen in allen Gärten: Nach Himbeer und Veilchen duftende, erdbeerrote Super Stars; apfelige Gloria Dei mit Zimthauch im Rosenduft (nach einem Tag in der Vase an fette ältere Herrschaften in Wohnzimmern mit stehender Luft erinnernd - möglichst alles so wie vor zwanzig Jahren lassen - dann richtiggehend muffig-gruftig). Eine goldfarbene Rose, deren intensiver Duft Weihrauch, Marienkult und oberitalienische Marmorkirchen heraufbeschwört; Papa Meilland, Carina und Pascali, wovon unten mehr.
Immerhin ertausche ich ein Glas Apfelsekt, ein Stück sehr süßen Marmorkuchens, einen (Papp)becher kalten Früchtetees und sogar ein Stückchen Schafkäse für meine Rosen. Niemand will handeln, keiner der Aussteller/Verkäufer nimmt sich Zeit, an einer der Prachtblüten, die ich ihm aus meinem Korb hinhalte, einmal zu riechen. Eigentlich will niemand Rosen, lieber schon wollen sie mir was schenken.
Der Bio-Weinhändler denkt laut nach: „Wem könnte ich eine Rose schenken?“ Dann blitzt es auf in seinem Gesicht. „Ja, gib.“ Auch er schnuppert nicht an der Carina, trotz Dauerregens noch silbrig-rosa, Wohlgerüche Mauretaniens ausströmend, Maderas del Oriente.
„Ich kann sie nicht einstellen, sie würde mir verderben“, sagt die Frau mit dem kalten „Früchtetee“, da bringe ich ihr einen wassergefüllten Pappbecher mit meiner dunkelroten, pfingstlichen Papa Meilland: Duft der königlichen Gemächer. Dann werde ich meinem Prinzip etwas untreu und bringe auch einer vorlauten Frau, die ich kenne, einen Bierkrug voll Wasser, für sieben Freilandrosen, die ich ihr geschenkt habe, damit sie mir die sieben Mark schenkt, die ich dem Mann mit dem UWS-Papier für sein leinengebundenes gelbes Tagebuch geben muß. Wie riecht Regen auf UWS-Papieren? Traurig, das wißt Ihr alle.
„Nasenbär verkauft Rosen“, trompetet Margarethe irrig durch das Bierzelt, ein Bild ersteht plötzlich, ein Bild vor meinen und aller Augen: Dunkelhäutiger, leibarmer Asylant abends im Tabakqualm der Großstadtkneipe mit duftlosen, dornenarmen Baccara-Rosen hausierend.
So eilig hatte ich es nicht, Margarethe. Nix loswerden.
Nur die 15jährige Laura versteht etwas, hat Spaß an meinem Tauschangebot. Sie reicht mir zum Biobrötchen ungeniert, obwohl der Chef guckt, noch ein gutes Stück Bio-Hartkäse, ich ihr zwei Pascali übern Glastresen, laut Katalog eine „blendendweiße, üppigblühende Schnittrose“, in Wirklichkeit hellgrün und ebenso duftend, ein bißchen wie geschälte grüne Zweige im Frühjahr oder frische Mandeln.
Du wirst noch Freude an den weißen Rosen haben, Laura, wenn unser Spiel zu Ende ist und du es schaffst, die Stiele zuhause gut angeschnitten oder -bissen ins Glas zu stellen.
Geschwindigkeit ist ein Feind der Düfte, darum riechen auch heute die Parfums alle saustark.
Nasenbär
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