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Archiv-Artikel

REFORMEN: DIE GROSSE KOALITION BELASTET EINZIG DIE ARBEITNEHMER Orgie der Umverteilung

Es ist erstaunlich ruhig in Deutschland. Schweigend schaut die Mehrheit zu, wie die Minderheit der Unternehmer profitiert. Jüngstes Beispiel ist die neue Gesundheitsreform. Details sind zwar noch nicht bekannt, aber „Mehrbelastungen“ für „die Bürger“ sind schon fest eingeplant, wie Kanzlerin Merkel am Wochenende bekannt gab. Steuern und Kopfpauschalen sollen letztlich die Defizite bei den Krankenkassen finanzieren. Gleichzeitig ist im Gespräch, den Arbeitgeberanteil einzufrieren. Die neuen Pläne liegen im Trend: Schon die letzte Gesundheitsreform hat nur die Arbeitnehmer belastet, nicht jedoch die Firmen.

Das Standardargument für diese Umverteilungsorgie lautet, dass Arbeitsplätze entstehen würden, wenn die Firmen nur weniger Sozialbeiträge zahlen müssten. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig, obwohl der empirische Beweis fehlt. Das Gegenteil ist wahr: Die deutschen Arbeitskosten sinken seit Jahren im Vergleich zum Ausland – und fast überall wächst die Wirtschaft stärker. Offensichtlich tut es nicht gut, die Unternehmer allzu sehr zu päppeln.

Dieses Phänomen mag die Regierung überraschen, ist aber trotzdem schlicht erklärbar: Arbeitskosten sind auch Nachfrage. Wenn die Löhne stagnieren und die Beschäftigten stets mehr an die Sozialkassen zahlen müssen, dann sparen sie eben am Konsum. Letzte Woche meldeten die Gaststätten, dass die Deutschen weniger einkehren. Das kostet konkret Arbeitsplätze. Nun hoffen die Wirte auf die Fußballweltmeisterschaft, worauf auch schon die Kaufhäuser und Elektrogeschäfte verfallen sind. Was für ein toller Politikersatz!

Derweil geht die Umverteilungsorgie weiter. In diesem Weltmeistersommer beschränkt sich die große Koalition nicht auf die Gesundheitsreform – sie will auch die Unternehmenssteuern erneut senken. Kanzlerin Merkel hat ein seltsames Bild von ihren „lieben Bürgerinnen und Bürgern“, die sie seit Neuestem wöchentlich mit einer Video-Podcast bearbeitet: als würden diese Lieben nur darauf warten, dass auch die letzten Reste der gesellschaftlichen Solidarität beseitigt werden. Doch scheint dieses seltsame Bild zu stimmen. Die Ruhe gibt der Kanzlerin Recht. ULRIKE HERRMANN