RBB gegen Güner Balci: Krach wegen Sarrazin
Hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg einen Beitrag über Thilo Sarrazin aus Angst vor der öffentlichen Reaktion verhindert? Über die Gründe gibt es zwei Versionen.
BERLIN taz | Ein TV-Beitrag wird gestoppt, weil die Autorin sich nicht an Abmachungen gehalten hat. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Weil es aber um Thilo Sarrazin in dem Beitrag gehen sollte, die Autorin Güner Balci heißt und sich FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher eingeschaltet hat, wurde die Sache zum Politikum.
Wie es dazu kam, dazu gibt es zwei Versionen. Die des Rundfunks Berlin Brandenburg geht so: Der Sender habe bei einer Produktionsfirma einen Film in Auftrag gegeben, der sich ein Jahr nach der Veröffentlichung von Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" mit dessen Thesen befassen sollte. Als Koautorin des Beitrags war Balci engagiert worden. Filmmaterial lag der Produktionsfirma schon vor, auch ein aufgezeichnetes Gespräch mit Schirrmacher war dabei. Doch am vergangenen Dienstag entschied der RBB, die Doku abzusetzen. Begründung: Balci habe für das ZDF einen Beitrag zum selben Thema gedreht und sei dafür mit Sarrazin durch den Berliner Bezirk Kreuzberg spaziert (taz vom 22. 7. 2011). Diese Szenen aber seien ein Kernstück des RBB-Films gewesen.
Dieser Film für die Sendung "Aspekte" und insbesondere, dass Sarrazin darin eines türkischen Lokals verwiesen wurde, hatte ein großes Echo hervorgerufen, tagelang schlugen Sarrazin-Verteidiger wie Henryk M. Broder und Kritiker wie der Deutsche Kulturrat medial aufeinander ein. Hatte der RBB danach kalte Füße bekommen?
Das würde die andere Version der Geschichte nahelegen. Güner Balci sagte der FAZ vom Freitag, es habe niemals eine solche Absprache zwischen ihr und dem RBB gegeben. Für die taz war die Autorin am Freitag nicht zu sprechen. Tags zuvor hatte sich Frank Schirrmacher persönlich in der FAZ des Themas angenommen und kam zu dem Schluss, "dass die Autorin Balci demontiert und isoliert wird".
Der Grund dafür sei, dass es die Öffentlichkeit und mithin der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht schaffe, sich mit dem Buch von Thilo Sarrazin auseinanderzusetzen. Die Sarrazin-freundliche Autorin Balci sei bei einer hektischen Ausweichbewegung des RBB, so lässt sich Schirrmacher wohl verstehen, mit unter die Räder geraten. Damit war aus einem normalen Filmauftrag eine Diskussion darüber geworden, ob sich ein öffentlich-rechtlicher Sender des journalistischen Drückebergertums schuldig machte. Dass die Produktionsfirma zunächst behauptet hatte, die Bänder mit Balcis Material seien gestohlen worden, dann aber zugab, dies sei eine "Notlüge" gewesen, machte alles nur noch undurchsichtiger.
Der RBB ist nun sichtlich um Transparenz bemüht. Der Sender legte der taz einen Auszug aus einer Mail vor, laut dem der RBB tatsächlich die Produktionsfirma um absolute Exklusivität anhält. Stimmt das, dann wäre diese Vereinbarung durch den "Aspekte"-Beitrag verletzt worden. RBB-Sprecher Justus Demmer bekräftigt: "Diese Projekt hat der RBB aus rein journalistischen Gründen beendet, politische oder gar persönliche Motive spielten dabei keine Rolle."
"Balci war als Subjekt vorgesehen"
Doch diesen Einwand lässt Schirrmacher nicht gelten. "In diesem Film war Balci von Anfang an als Subjekt, nicht nur als Berichterstatterin vorgesehen" sagte er der taz. "Man tut so, als habe man einfach eine Produktionsfirma gewählt. Nein, man hat, auch wenn Frau Balci das vielleicht nicht gerne hört, einen türkischen Namen gesucht, der eine bestimmte Tendenz verspricht. Und der RBB, wenn er schon nichts anderes tut, hat das gewusst und muss es gewollt haben. Wenn man das tut, hat man eine andere Verantwortung, weil man nicht journalistisch gehandelt hat sondern bewusst Protagonisten aus dem clash of civilizations, also Konfliktteilnehmer, engagiert", kritisiert er.
Güner Balci hält tatsächlich nicht viel journalistische Distanz zum Objekt ihrer Berichterstattung. Zwar mag sie Sarrazins "Eugenik" nichts abgewinnen, aber "ansonsten sagt der Mann nichts Falsches", befand sie in einem Interview. Balci war Sozialarbeiterin, bevor sie Bücher wie "Arabboy" schrieb und sich als Journalistin mit islamkritischen Fernsehbeiträgen einen Namen machte. "Ihre Filme haben die Wirkung von medialen Kettensägen", urteilte die SZ.
"Ich stelle nur fest: Ein Jahr nach Erscheinen von Sarrazins Buch endet der Versuch, einen Film über seine Wirkung zu drehen, damit, dass ein Sender einer Deutschtürkin letztlich mit dem Argument entzieht sie sei ,Partei' ", sagt Frank Schirrmacher. "Damit sind wir wieder beim Kulturkrieg. Ich hätte gern selbst geurteilt, ob sie Partei ist. Das ist das Politikum an der Sache, und das sage ich, gerade weil ich finde, dass Sarrazins Buch in die Irre führt."
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