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Archiv-Artikel

RASSISTEN BRINGEN IHREN GESINNUNGSQUARK OFT IN DEN VERSIMPELTSTEN BUCHSTABENKOMBINATIONEN ZUM AUSDRUCK Auf den Inhalt kommt es an

ANJA MAIER

Kürzlich schrieb ich über das mangelhafte Deutsch jener Fremdenfeinde, die sich in meiner ostdeutschen Kleinstadt im Netz auspöbeln. Und zwar betreffend die dortselbst auf ihren Asylbescheid wartenden 200 Flüchtlinge. Kurz darauf erreichte mich die E-Mail einer Leserin, die in meiner Kolumne das moralische Aufschwingen einer linksgrünen Gutmenschin zu erkennen meinte. „Wenn das Bildungsbürgertum keine Antworten auf politisch unkorrekte Fragen weiß, zeigt es seine feindselige, Menschen verachtende Fratze“, schrieb mir Frau R. „Sind Bösartigkeiten moralisch besser, nur weil sie sich nicht gegen Flüchtlinge richten und im ‚korrektem Deutsch‘ verfasst sind?“

Schon wegen der „freundlichen Grüße“ am Briefende möchte ich gern antworten.

Liebe Frau R., danke für Ihre Zuschrift. Wie Sie sich möglicherweise noch erinnern, gab ich in meiner Kolumne Facebook-Einträge wie diesen wieder: „i könnte heuln wenn i d mit ihre handys seh. woher ham die die kohle?“ Ein anderer lautete: „bei netto tadschn die alls an.“ Die zitierten Einlassungen beschrieben das Alltagsverhalten von Flüchtlingen, die das Mittelmeer und die EU-Bürokratie in unser Nest verschlagen hatten.

„Tadschn die alls an“ – das ist weiß Gott schlechtes Deutsch. Liegt keine Legasthenie-Diagnose vor, scheint mir solch ein Textmatsch Ausdruck mehrjähriger geistiger Absenz während des Schulunterrichts zu sein. Ich wundere mich immer wieder, in welcher verkümmerten Sprache unter Zuhilfenahme versimpeltster Buchstabenkombinationen gerade Rassisten ihren Gesinnungsquark zum Ausdruck bringen. Ja, ich sehe einen Zusammenhang zwischen mangelnder Bildung und Fremdenfeindlichkeit.

Aber nein, ich finde es keineswegs akzeptabler, wenn in einwandfreier Sprache dieselben menschenfeindlichen Inhalte zur Kenntnis gegeben werden. Glauben Sie mir, Frau R., in diesen Facebook-Foren der „Nein zum Heim“-Geschwader herrscht mitunter ein Ton, als würden da ehemalige Majore des Staatssicherheitsdienstes einst Erlerntes noch einmal zur Anwendung bringen. „… haben diese Personengruppen unverzüglich den deutschen Kulturkreis zu verlassen“ macht inhaltlich nun wirklich keinen Unterschied zum kommabefreiten „Dreckspack alle auf ein Kahn und zurck“.

Was ich zu sagen versuche, Frau R.: Auf den Inhalt kommt es an. Doch auch die Form dieser Schmähungen lässt Rückschlüsse zu auf das Maß an Bildung und auf das Interesse an einer Gesellschaft, die sich die Mehrheit meiner Landsleute einst eher erwinselt als erkämpft hat.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Donnerstag

René Hamann

Unter Schmerzen

Freitag

Meike Laaff

Nullen und Einsen

Montag

Cigdem Akyol

Down

Dienstag

Deniz Yücel

Besser

Mittwoch

Martin Reichert

Erwachsen

Sich selbst als „das Volk“ zu etikettieren, dessen Wünsche vom Politikerpersonal zu erfüllen sind, ist etwa so schlau, wie an die Waschkraft des Weißen Riesen zu glauben. Oder daran, dass Menschen aus dem eigenen Kuhkaff abzuschieben, bewirkt, dass diese Menschen dann tatsächlich irgendwie nicht mehr da sind.

Aber so doof sind diese Leute tatsächlich – ob sie das in makelloser Orthografie zum Ausdruck bringen oder mit Buchstabensalat. Ob leider oder zum Glück – das überlasse ich Ihnen, Frau R.