piwik no script img

Archiv-Artikel

RALPH BOLLMANNPOLITIK VON OBEN Die Symbow-Politik

Warum verhindert Erika Steinbach immer genau das, was sie angeblich will? Eine Familiengeschichte

Manche meiner Freunde und Bekannten wundern sich schon lange, was ich an Polen finde. Da ließe sich viel aufzählen. Das Meer, die Berge, die Städte. Die menschenleeren Landschaften. Der Umstand, dass es einfach ein unkompliziertes Reiseland ist. Der Reiz des Exotischen, nur eine Stunde von Berlin entfernt. Die riesigen Einkaufszentren französischer und britischer Supermarktketten, die es in Deutschland gar nicht gibt.

All das ist aber nur die halbe Wahrheit. Am Ende hängt das Interesse doch damit zusammen, dass meine Eltern und Großeltern Vertriebene waren. Bei vielen meiner Freunde und Bekannten übrigens auch, wie bei Gesprächen über das Thema schnell herauskommt. Man hat darüber früher nicht geredet. Aber irgendwie hat man sich dann doch wiedererkannt zwischen all den einheimischen Schwaben, Hessen oder Rheinländern, die ihren Dialekt pflegten und selbst nach einem auswärtigen Studium in die Heimatregion zurückkehrten.

Vor einigen Jahren habe ich mit meiner Mutter Symbow besucht, das kleine Dorf bei Stolp in Hinterpommern, in dem sie auf die Welt kam. Im niederschlesischen Bunzlau, dem Geburtsort meines Vaters, war ich schon mehrfach. An Erika Steinbach habe ich bei diesen Reisen nach Polen nie gedacht, so wenig wie die meisten andern Nachkommen von 15 Millionen Vertriebenen auch.

Wäre es nach Erika Steinbach gegangen, hätte ich das alles vermutlich nicht tun können. Mag sein, dass sie nicht das Monster ist, für das sie viele in Polen halten. Aber sie hat 1991 gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt. Gegen den Vertrag, der die Voraussetzung dafür war, dass die Polen in den Westgebieten sich endlich für die deutsche Vergangenheit ihrer Orte zu interessieren begannen. Und dafür, dass Leute wie ich dasselbe taten.

Vorher waren Bunzlau und Symbow in unserer Familie nur Begriffe der Geschichte, nicht der Geografie. Dass es diese Orte aus den Personalausweisen meiner Eltern noch gab, war mir als Kind nicht wirklich klar. Es waren versunkene Welten, über die man nur in der Vergangenheitsform sprach. Das Polen der Gegenwart gab es für meine Familie nicht. Anfang der Siebzigerjahre hatte mein Großvater noch die Lokalzeitung abbestellt, weil sie Willy Brandts Ostpolitik befürwortete. Später war davon keine Rede mehr.

Dass sich ausgerechnet die CSU als einzige politische Kraft mit Steinbach identifiziert, ist nur mit besonderer Unkenntnis zu erklären. Schon ihre eigenen Sudetendeutschen haben die Bayern nach dem Krieg in eigene Trabantenstädte abgeschoben und so die Klientel gezüchtet, für die sie sich jetzt einsetzen. Für Polen haben sie sich sowieso nie interessiert. So wie sich nach 1990 ja auch zeigte, dass Bayern mit der jahrzehntelang beschworenen Wiedervereinigung nichts anfangen konnte.

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: Archiv