RAF-Prozess um Buback-Attentat: Boock hält Becker für Leichtgewicht
Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock hat seine einstige Kampfgenossin entlastet: "Sie sei nicht planerisch veranlagt", so Boock. Es bleibt also weiter unklar, wer Buback 1977 getötet hat.
STUTTGART dapd | Die frühere Terroristin Verena Becker war nach Einschätzung des RAF-Aussteigers Peter-Jürgen Boock nicht an der Planung des Buback-Attentats von 1977 beteiligt. Becker sei "nicht planerisch veranlagt" gewesen, sagte der 59-jährige Boock am Donnerstag als Zeuge vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Damit widersprach Boock einem wesentlichen Anklagevorwurf der Bundesanwaltschaft gegen Becker.
Andere RAF-Leute seien "für die strategische Planung viel geeigneter" gewesen, betonte Boock. Bei "strategischen Geschichten" sei Becker nach seiner Erinnerung "nicht in Erscheinung getreten". Boock gehörte zur Zeit des Attentats zur Führungsgruppe der RAF.
In dem Stuttgarter Prozess ist die 58-jährige Becker angeklagt, Mittäterin beim Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter am 7. April 1977 gewesen zu sein. Becker soll laut Anklage maßgeblich an der Entscheidung für den Mordanschlag, an dessen Planung und Vorbereitung sowie der Verbreitung der Bekennerschreiben mitgewirkt haben. Becker selbst schweigt beharrlich zum Tatvorwurf.
Buback wurde in Karlsruhe in seinem Dienstwagen erschossen. Welches RAF-Mitglied vom Soziussitz eines Motorrads die tödlichen Schüsse abfeuerte, ist bis heute ungeklärt. Wegen des Attentats wurden die RAF-Terroristen Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt als "Mittäter" verurteilt. Nebenkläger Michael Buback ist der Auffassung, dass die wahren Täter bislang nicht verurteilt wurden.
Boock: "Ich wundere mich, dass Haag nicht angeklagt wurde"
Mohnhaupt galt bislang als Drahtzieherin des Anschlags im Hintergrund und "Rädelsführerin". Boock sagte jedoch auf die Frage, ob er einen konkreten Tatbeitrag von Mohnhaupt nennen könne: "Eigentlich nein." Es wundere ihn aber, dass das frühere RAF-Mitglied Siegfried Haag, das im Sommer und Herbst 1976 die "Planungshoheit" in der RAF-Führungsgruppe gehabt habe, nicht als Mittäter beim Buback-Attentat angeklagt wurde. "Das wundert mich bis heute", sagte Boock. Haag war im November 1976 festgenommen worden. Spekuliert wird, dass ohne Haags Verhaftung der Anschlag möglicherweise schon um die Jahreswende 1976/77 erfolgt wäre.
Durch Boocks Aussage wurden zudem Spekulationen genährt, dass der wegen des Buback-Attentats verurteilte RAF-Terrorist Folkerts in Wahrheit gar nicht vor Ort an dem Anschlag mitgewirkt hat. Boock sagte, Folkerts sei am Tattag des 7. April 1977 in Amsterdam bei einem Treffen von RAF-Leuten gewesen. Auch er selbst, Mohnhaupt und Silke Maier-Witt seien dort anwesend gewesen.
Maier-Witt hatte in der vergangenen Woche in ihrer Zeugenaussage betont, dass Folkerts nach ihrer Einschätzung nicht unmittelbar an dem Mordanschlag beteiligt gewesen sei. Allerdings fand der Anschlag auf Buback frühmorgens gegen 9.00 Uhr statt, das Treffen der RAF-Leute in Amsterdam soll erst mehrere Stunden später gewesen sein.
Boock betonte zudem, dass nach seiner Einschätzung nur ein einziges Motorrad bei dem Anschlag der "Rote Armee Fraktion" in Karlsruhe eingesetzt worden sei. Spekulationen, dass ein zweites Motorrad mit zwei weiteren RAF-Leuten am Anschlagsort zur Beobachtung war, wies er zurück.
Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt. Dann sind unter anderem die früheren RAF-Leute Stefan Wisniewski und Günter Sonnenberg als Zeugen geladen. Es wird jedoch nicht damit gerechnet, dass sie aussagen werden.
Boock hatte Wisniewski als vermutliches Mitglied des Anschlagskommandos beim Buback-Attentat benannt. Gegen Wisniewski wird seit April 2007 ermittelt, bislang ohne greifbares Ergebnis. Sonnenberg galt zunächst als Tatverdächtiger, das Verfahren gegen ihn wurde jedoch vor allem wegen einer schweren Kopfverletzung eingestellt.
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