RAČAK ZEIGT: NATO-EINSATZ IN DER KOSOVOKRISE WAR BERECHTIGT: Opfer haben sich nicht selbst getötet
Die Vorfälle von Račak, die sich im Kosovo im Januar 1999 abspielten und bei denen 45 Menschen starben, haben große Bedeutung erlangt. Denn mit den Ereignissen dort wurde die internationale Gemeinschaft nach langem Zögern gezwungen, im Kosovo doch stärker aktiv zu werden. In den westlichen Hauptstädten gelangte man nun zu der Überzeugung, dass man mit allen Mitteln darauf drängen müsse, den Konflikt im Kosovo zu beenden. Das Massaker von Račak und die Proteste gegen die Unterdrückungspolitik des Regimes von Milošević gegenüber den Kosovo-Albanern erzeugten einen Druck, der schließlich zu den Verhandlungen in Rambouillet führte – und, als sie scheiterten, zum Einsatz der Nato überleitete.
Dass dieser Bombenkrieg die Gefühle aufgewühlt hat, zumal in Deutschland, ist verständlich. Denn erstmals seit ihrer Gründung hatte sich die Bundesrepublik in einen Krieg begeben. Über die Berechtigung dieses Einsatzes zu diskutieren erweist sich als schwierig, weil dieser Krieg politische Identitäten und Selbstbilder in Frage gestellt hat. Einer der bedauerlichen Effekte: Die Ereignisse im Kosovo selbst treten in den Hintergrund. Manche Kriegsgegner laufen Gefahr, die reale Situation vor Ort auszublenden, um die eigene politische Identität zu retten.
Der Nato und (noch schlimmer vielleicht) Joschka Fischer zuzugestehen, dass sie intervenierten, um Menschenrechte zu schützen, ist für viele der Kriegsgegner eine zu große Zumutung. Wenn man aber um des eigenen Selbstverständnisses willen daran geht, die Geschichte umzuschreiben, dann wird das Ganze zur puren Ideologie. Die Unterdrückungspolitik des Regimes von Milošević, die seit den Massakern von Drenica im Frühjahr 1998 mit einer massiver Vertreibungspolitik einherging, wird einfach geleugnet. Slobo Milošević wird’s freuen.
Die Berliner Zeitung hat sich an die Spitze dieser Tendenz gesetzt. Wenn die Leiterin des forensischen Teams der Europäischen Union, die Finnin Helena Ranta, sich weigert, als Expertin die Ereignisse von Račak politisch zu bewerten, dann zeigt sie sich lediglich als Profi in ihrem Beruf. Das ist nämlich Aufgabe des Tribunals in Den Haag. Aber es ist keineswegs ein Beweis dafür, dass es kein Massaker in Račak gegeben hat. Die Opfer haben sich nämlich nicht selbst umgebracht.
ERICH RATHFELDER
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