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„Quotenregelung für Abiturienten aus der DDR“

Der rheinland-pfälzische Kultusminister Georg Gölter (CDU) zu seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Anerkennung des DDR-Abiturs, einer Quotenregelung für DDR-AbiturientInnen und dem Ostexport bundesdeutscher LehrerInnen / Sondersitzung der Kultusministerkonferenz am 10. Mai  ■ I N T E R V I E W

Die Anerkennung des DDR-Abiturs ist unter den Kultusministern der Länder umstritten. DDR-Abiturienten hätten vergleichsweise bessere Abschlußnoten und wären dadurch beim Zugang zu westdeutschen Hochschulen bevorzugt.

taz: Herr Gölter, in den 70er Jahren empfahl die Kultusministerkonferenz (KMK), das DDR-Abitur „großzügig“ anzuerkennen. Mittlerweile bringt der Zustrom an Übersiedlern die KMK ins Wanken. Sie, in Rheinland-Pfalz, und die Bayern haben jetzt beschlossen, vorerst keine DDR -Abiturienten mehr anzunehmen. Warum?

Georg Gölter: Es geht nicht darum, das DDR-Abitur endgültig nicht mehr anzuerkennen. Das ist nicht meine Position. Wir haben die Bearbeitung der Anträge ausgesetzt, weil zuerst einige fundamentale Fragen geklärt sein müssen.

Wieviele Anträge liegen Ihnen denn vor?

Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wieviele Anträge hier vorliegen. Es ist für mich aber keine Frage der Zahl der Anträge in Rheinland-Pfalz, sondern einer Bewertung insgesamt. Es zeigt sich nach allen Unterlagen, daß die Hochschulzugangsberechtigung, erteilt durch die Erweiterte Oberschule (EOS) in der DDR, in einem ungewöhnlich günstigen Notenschnitt vorgenommen worden ist; daß rund 50 Prozent aller Zeugnisse zwischen 1,0 und 1,4 liegen. Außerdem erhielt ein Drittel der Studierenden die Zulassung außerhalb der EOS - über andere Berufs- und Bildungswege, deren Eignung wir erst noch prüfen müssen. Wenn wir diese Abschlüsse und Abiturzeugnisse ohne jede Einschränkung zulassen würden, dann ergäbe sich eine völlige Verzerrung der Wettbewerbssituation: beispielsweise in Numerus-clausus -Studienfächern, wie Medizin - auf einen Studienplatz zwei Bewerber; Zahnmedizin - auf einen Studienplatz vier Bewerber; Tiermedizin - auf einen Studienplatz acht Bewerber. Der Punkt muß sehr schnell geklärt werden.

Ihre Kollegen schlugen unter anderem eine Malus-Regelung vor, ein Vorbereitungsjahr oder eine Quotierung. Was meinen Sie?

Ich glaube, es ginge zu weit, ein Vorbereitungsjahr für DDR -Abiturienten einzuführen. Ich würde mich dagegen wehren. Ich plädiere für eine Quote. Was den Malus betrifft, so muß man erst mal sauber ausrechnen, wie hoch dieser Abschlag auf die DDR-Note sein könnte. Dazu muß der Malus so hoch ausfallen, daß die Durchschnittsnoten der DDR denen der Bundesrepublik angeglichen werden. Dann würden möglicherweise aber auch hochbegabte junge Leute aus der DDR eine erhebliche Benachteilung erfahren.

Also wieder eine ungerechte Regelung!

Ein Malus - wenn er weitgreifend sein sollte - würde Bewerberinnen und Bewerbern aus der DDR den Zugang hier außerordentlich erschweren. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, dann bleibt nur die Quote. So wie sie West -Berlin in aller Gelassenheit dieser Tage praktiziert.

Eine Quote welcher Art?

West-Berlin hat für das Sommersemester eine Quote eingeführt, bei der die Bewerbungen aus der Bundesrepublik und West-Berlin zusammengezählt werden, um sie im jeweiligen Fach der Zahl der Bewerbungen aus der DDR gegenüberzustellen. Dieses Verhältnis wurde dann übertragen auf die Zuweisung der Studienplätze. Dies geht in die Richtung, die ich für angebracht halte.

Alle reden darüber, daß DDR-Studenten hier studieren wollen. Gibt es auch den umgekehrten Trend? Welche Möglichkeiten gibt es für bundesdeutsche Studenten an DDR -Hochschulen?

Es gibt in Deutschland jetzt schon Reisefreiheit - und es soll auch Studierfreiheit geben. Dazu gehört, daß die DDR ihre Hochschulen stärker belastet, als sie's heute tut.

Stärker belastet?

Belastet: mehr junge Leute dafür zuläßt! In vielen Studiengängen der DDR ist die Relation zwischen wissenschatflichem Personal und Studierenden wesentlich günstiger als bei uns. Die DDR hat einschließlich aller Spezialstudiengänge rund 135.000 Studierende, wir haben 1,5 Millionen. Die DDR hat ein restriktives Zulassungssystem betrieben, um nicht zu sagen: ein brutales! Und zwar überall. Die DDR muß nun jungen Leuten in stärkerem Umfang die Möglichkeit des Studiums geben. Es geht nicht an, daß bei uns Zehntausende aus der DDR nach Studienplätzen nachfragen - und drüben bewegt sich überhaupt nichts. Ich denke, daß die DDR bald auch Bundesdeutschen die Möglichkeit des Studiums gibt. Das wird interessant in einigen harten NC -Studiengängen. Ich bin für Reise- und Studierfreiheit!

Studierfreiheit - das setzt auch gleiche Rechte in der Ausbildungsförderung voraus. Wird es dafür eine allgemeine oder eine gesonderte DDR-Regelung geben?

Es wird nach einer Übergangszeit eine allgemeine Regelung geben. Bis zur Wirtschafts- und Währungsunion aber muß man unterschiedlich vorgehen. Es darf nicht sein, daß ein Studierender aus der DDR täglich nach Braunschweig fährt, dort zu Recht den Bafög-Höchstsatz geltend macht, mit dem Geld drüben auf dem Schwarzmarkt einen Kurs von 1:7 oder 1:8 erzielt und damit über ein Einkommen verfügt, daß weit über das Einkommen eines DDR-Hochschullehrers hinausgeht. Insofern müssen wir Übergangsregelungen finden.

Was machen Sie mit DDR-Studenten, die schon drei, vier Semester in der DDR studiert haben? Lehnen Sie auch die ab?

Wer drüben bereits in eine Hochschule aufgenommen ist, kann hier sein Studium fortsetzen. Ich kann nicht abschätzen, wieviele das sind, aber hier bin ich für eine großzügige Regelung, zumindest für eine längere Übergangszeit.

Sie reden viel von Übergangszeiten - wie lange, meinen Sie, werden diese dauern?

Das weiß ich nicht. Die Umstellung eines Bildungswesens braucht 'ne gewisse Zeit. Die DDR muß vor allem ihre Sekundarstufe (Klassen elf bis zwölf oder 13, d.Red.) ausweiten. Aber dazu braucht man Gebäude. Dazu braucht man noch dringender - Lehrer und Lehrerinnen

Baut die DDR den Lehrerüberschuß ab?

Ich weiß nicht, ob es Programme geben wird, um unsere arbeitslosen Lehrer in die DDR zu transferieren. Ich frage mich sogar, ob derartige Programme glücklich sind für junge Lehrer, die noch nicht im Schuldienst standen. Wir könnten aber eine Anzahl erfahrener Lehrer für eine befristete Tätigkeit in der DDR abstellen. Quasi als Fachberater. Oder zur Unterweisung von Nachwuchslehrkräften in der DDR.

Interview: Joachim Weidemann

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