: Quietschen & Pöbeln
Betr.: „Eine alltägliche Situation“, taz vom 26./27. 5.
S. sagt, der Lieferwagen habe ihn trotz grün für Füßgänger beinahe überfahren ... Der Angeklagte E. behauptet, es sei alles ganz anders gewesen. Die Fußgängerampel war auf rot. Beide haben Recht, denn die typische Bremer Ampel ist so geschaltet, dass Fußgänger noch grün sehen, während in ihrem Rücken die Ampel schon auf rot gesprungen ist. Abbiegende Autofahrer denken dann, dass die Passanten zu Unrecht über die Straße laufen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, vom Auto überfahren zu werden. Den zweitschlimmsten Fall hat Herr S. erlebt: Der Autofahrer greift zur Selbstjustiz und lyncht den vermeintlichen Verkehrssünder. Die dritte Variante erlebt man als Fußgänger und Fußgängerin in Bremen allenthalben: Man wird geschnitten, es wird bremsenquietschend vor einem Halt gemacht, man wird angepöbelt.
Die Verkehrsplanung in Bremen ist eben auf den Autoverkehr ausgelegt: Damit nicht noch mehr Fußgänger die ohnehin schon kurze Ampelphase nutzen, wird der einen Straßenseite schon wieder rot gezeigt, während die andere noch gehen darf. Damit wird der schwächste Verkehrsteilnehmer auch noch übel beleumundet, indem die Ampelplaner ihn sozusagen hinterrücks ins Unrecht setzen.
Thomas Kollande-Emigholz
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