■ Querspalte: Waldemar, Benny und Kjeld
Der deutschen Einheit ist ein schwerer Schlag in ihr demokratisches Gesicht zugefügt worden, mitten in Berlin und entlang der Zonengrenze. Schuld sind nicht die Miesmacher der PDS, sondern die Tarifmacher der Berliner Verkehrsbetriebe, die – das sagt alles – abgekürzt „BVG“ heißen. Diese BVG erfreut die Zonis seit längerem mit einem ermäßigten Brüder- und-Schwestern-Tarif. Nur wer vor dem Tag der deutschen Einheit in Gefangenschaft gelebt hat, darf billig fahren. Eine schwerer Fehler, wie sich jetzt zeigt.
Seit das Dokument der Diktatur, der blaue Ausweis mit Stasi-Zirkel und Ährenkranz, vernichtet ist, stellt sich den Kontrollettis der BVG die Frage, an der schon all die gescheitert sind, die denken können: Wie erkennt man den Ostler? Dumm ist er ja, aber unerkannt in die Freiheit abzutauchen, hat er trotzdem geschafft.
Die BVG hat jetzt vorsichtig die Etikettierung empfohlen: Zusätzlich zum neuen Ausweis sollten die Meldeämter ihren Untertanen ein Herkunftsschild aufkleben. Warum kein fünfzackiger Stern an der Jacke? Aber nein, die Meldeämter verließ ihr Glaube an den Rechtsstaat, sie gaben klein bei. Es reiche, wenn der Ostler seine Geburtsurkunde bei sich trage. Jawoll, Herr Oberleutnant!
Auf die naheliegendste Idee hingegen kam keiner: eine Maschinengewehrsalve von Fragen durch die U-Bahn feuern, um den Ostler zur Rede zu stellen: Wieviel- Kilo-wog-der-1-Megabit-Chip-aus-Jena?-Wie-viele-weiße-Männer-hat-Tecumse h-getötet?-Wie-viele-Stunden- mußte-das-Speiseeispulver-„Komet“- kalt-gestellt-werden,-damit-ein-eisähnlicher-Klumpen-entstand?-Wer-hat-s eine- Kinder-Waldemar-genannt?-Wie-viele- Tuborg-Pils-mußten-Benny-und-Kjeld- besorgen,-damit-Dynamit-Harry-nüchtern-wurde? Der Ostler wird von seinen brutalen Erfahrungen im Unrechtsstaat zehren können. Für den demokratieerfahrenen Marktwirtschaftler bleibt der Trost, bei Beantwortung auch nur einer dieser Fragen mit 25.000 Freifahrten belohnt zu werden. Uwe Rada, Jens König
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen