■ Querspalte: Eine ganz normale Familie
Übermorgen wird in Hellersdorf, „in einer der tristesten Gegenden Berlins“ (dpa), „in der Platte“ (SFB), genauer gesagt: in der Ernst-Bloch-Straße 35, das Wasser abgestellt. Zwischen 8 und 14Uhr. Welch eine Abwechslung im tristen Leben der diesem Elfgeschosser innewohnenden Menschen! Ihr Stoffwechsel liegt darnieder beziehungsweise in vielen kleinen Näpfchen, der Kaffee muß mit Selters gebrüht werden, und durchgelegene Wasserbetten können nicht aufgefüllt werden.
Hausfrau Eva-Maria Kunz aus dem achten Stock allerdings dürfte die Dürre kaum bekümmern. Sie hat noch zweieinhalb der drei Flaschen „Rotkäppchen extra trocken“, die sie vorgestern ihrem Gast Prinz Charles Windsor einhelfen wollte, übrig; das dürfte wohl reichen, um den Spülkasten zu füllen. Ihre „Gardinen“ hat Frau Kunz laut Berliner Zeitung gerade erst „gewaschen“, bevor Hoheit samt Mischpoke anrückte, und zum Säubern ihrer Neubaufauna benötigt Eva- Maria ohnehin kein Wasser aus der Wand. Kurz bevor der Königinsohn am Montag bei ihr läutete, hatte sie jedenfalls rasch noch „die Agave entstaubt und mit Bier (!!!) auf Hochglanz poliert. Selbst das Aquarium ließ sie nicht aus.“
Das ist also die vielbeschworene „ganz normale Familie“ (Berliner Morgenpost), in der die Hausfrau alles Warsteiner, das 's Männle am Vorabend acht Treppen hochgebuckelt hat und bis Sendeschluß nicht hinunterstürzen konnte, anderntags über schmarotzende Blattpflanzen und ins Aquarium kippt.
Dies wirkt eher „very british“, womit man getrost das Gegenteil von „normal“ assoziieren darf. Kein Wunder, daß es zwischen Eva-Maria und Seiner very britischen Herrlichkeit sofort geknallt hat: „Ich habe ihm in die Augen gesehen und wußte, der ist weder steif noch distanziert.“ Nun ja, was Distanz betrifft, da kann man sich leicht täuschen. Aber, Frau Kunz, mal ehrlich, woher wissen Sie das andere? Das klingt, als hätten Sie vorher mit Diana Spencer telefoniert. André Mielke
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