piwik no script img

■ QuerspalteGewissen versus Kaffee

Wahlkampf auf palästinensisch. Das Kaffeehaus in der Stadt Ramallah im Westjordanland ist vollgepflastert mit Postern des örtlichen Kandidaten Jamil Tarifi. Drinnen ist es gerammelt voll mit tee- und kaffeetrinkenden jungen und alten Männern. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie lassen es sich auf Kosten des Mannes auf dem Poster mit heißen Getränken und brodelnden Wasserpfeifen gutgehen. Die Idee des hoffnungsfrohen Geschäftsmannes und Parlamentskandidaten Jamil Tarifi ist relativ einfach: Willst du dein Wahlvolk beglücken, dann miete kurzerhand ein ganzes Kaffeehaus – für 15.000 Mark die Woche, munkelt man zwischen den Caféstühlen. Nicht daß diese bescheidene Summe für den Bauunternehmer Tarifi, den Besitzer des ersten Jaguars diesseits des Jordans, der Rede wert wäre. Zumal er, wie es scheint, einige Imagepflege nötig hat.

In einem neulich von einer politischen Splittergruppe auf der Straße verteilten Flugblatt mit dem Titel „Selbstbestimmung oder bestimmt von Kollaborateuren“ wurde Tarifi der jahrelangen Zusammenarbeit mit den israelischen Besatzungsbehörden bezichtigt und zum Rückzug seiner Kandidatur aufgefordert. Wer weiß? Böse Zungen behaupten: Wer in Ramallah irgendwelche israelischen Genehmigungen brauchte, soll bei Tarifi an der richtigen Adresse gewesen sein. Er sei hier schon vor Tarifis Kampagne jeden Nachmittag gesessen, behauptet Abu Ali. Jetzt trinkt er halt seinen Mokka auf Wahlkampfkosten. Ob er, nachdem er eine Woche zum nachmittäglichen Kaffee ausgehalten wird, für Tarifi stimmt? „Wer weiß, am Ende zählt das Gewissen und nicht der Kaffee“, sagt er und nimmt einen tiefen Zug aus der Wasserpfeife.

Ein örtlicher palästinensischer Verkehrspolizist wird da schon direkter. „Und für wen stimmst du?“ „Bestimmt nicht für Tarifi.“ „Sagt's, schlürft den Rest des Tarifi-Mokkas aus und begibt sich wieder zur schwierigen Aufgabe, den Verkehr auf der Hauptstraße Ramallahs in geordnete Bahnen zu lenken. Karim El-Gawhary

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen