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■ QuerspaltePatria o muerte

„Kolleje König, Vierzehnfünfer!“ schallte es über die Baustelle. Für mich, der jeden Studentensommer Bekanntschaft mit dem Proletariat schließen durfte, war dieser Schrei ein Befehl. Im ersten Jahr dachte ich noch, ich sei jetzt fachlich überfordert, weil ich den passenden Schraubenschlüssel rüberreichen mußte. Im zweiten Jahr war ich eingeweiht. „Vierzehnfünfer“ bedeutete den Auftrag der werktätigen Klassen und Schichten an die sozialistische Intelligenz, unverzüglich nach einer Flasche „Goldi“ zu rennen – dem braunen Goldbrand, der zu jeder Arbeitsausrüstung gehörte. Einheitlicher Volkspreis 14,50 Mark.

Das spirituose Wunderwerk „Goldi“ war ein Produkt des heroischen Abwehrkampfes der DDR gegen den westdeutschen Imperialismus. Weinbrand importieren? Zu teuer. Also wurde zur Selbsthilfe gegriffen: Weinbrandverschnitt mit nur 32 Prozent reinem Weinbrand. „Goldi“ gegen „Mariacron“, „Goldi“ gegen „Chantré“, „Goldi“ gegen „Bols“, „Goldi“ gegen alle. Und er schmeckte furchtbar. Aber er ließ die Arbeiterklasse unbeeindruckt an der Verwirklichung der Hauptaufgabe arbeiten: überholen ohne einzuholen. Im Übereifer des Gefechts, mit glasigen Augen und schwerer Zunge konnte daraus schon mal „einsuholn ohne, hick, Übaholn“ werden. Und daran hat's dann ja 1989 auch gehapert.

Aber „Goldi“ hat überlebt, und der Kampf gegen den Imperialismus geht weiter. Die Abtshof GmbH Magdeburg läßt den guten Verschnitt jetzt auch im Westen produzieren. Und, so war dieser Tage einer geheimen KoKo-Studie zu entnehmen, das Gesöff erfreut sich zunehmender Beliebtheit auch unter der westdeutschen Arbeiterklasse. Die dekadente Bourgeoisie ist das nächste Ziel. Für diese Aufgabe soll „Goldi“ bis zum Sommer Flankenschutz bekommen. Der Wodka aus DDR-Produktion mit dem berühmten blauen Etikett kommt wieder auf den Markt – im Volksmund „Blauer Würger“ genannt. Der Name ist Programm. Bonn röchelt schon. Wir werden siegen. No pasarán! Patria o muerte! Jens König

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