■ Querspalte: Nimm zwei - zahl einen
Vielleicht haben sie zu viele von diesen süßen Dingern gelutscht, die so gesund sein sollen. Vielleicht haben sie in ihrem Dienst-Mercedes aber auch einfach zuviel Werbung gehört. Jedenfalls ging ihnen der Slogan nicht mehr aus dem Kopf: „Nimm zwei!“ „Nimm zwei!“
Und wie das dann so ist auf Konferenzen, man sitzt sich gegenüber, der Hosenbund kneift, man denkt an dies und jenes – und langweilt sich. „Nimm, Kurt, die haben viele Vitamine.“ – „Danke, Gerhard, darf ich dir einen von meinen anbieten?“ Biedenkopf und Schröder reichen einander Bonbons über den Sitzungstisch, ihr Blick fällt auf die bunte Tütenaufschrift, sie sehen sich wieder in die Augen. Zwei Männer, eine Lösung: Nimm zwei – zahl einen. Nimm drei – zahl zwei. So würden sie die Lehrstellenmisere in den Griff kriegen. Zwei Auszubildende arbeiten zum Lohn von einem. Drei teilen sich das Lehrgeld von zweien. Zweidrittelazubis, paßt zum Trend.
Irgendwie kann man von der Zweidrittelgesellschaft ja nicht nur immer reden. So etwas will auch persönlich gelebt sein, damit kann man gar nicht früh genug anfangen. Am besten bei denen, die erst zwei Drittel erwachsen sind. Das heißt ja nicht, daß das Modell nicht auf andere übertragbar wäre. Stehen wir nicht überall vor diesem gleichen häßlichen Phänomen: Viel zu viele Menschen drängen nach viel zuwenig Geld? Warum teilen sich nicht zwei Sozialhilfeempfänger einen Warenkorb? Drei Rentnerinnen nicht zwei Witwenpensionen? Zwei Studenten nicht einen Studienplatz? Und warum, bitte schön, muß jeder Krankenhauspatient ein eigenes Bett haben? Zwei für eines. Man wird ja wohl etwas zusammenrücken können – bei den Preisen.
„Möchteste noch 'n Bonbon, Kurt?“ – „Hab' doch schon zwei, Gerhard, nimm zwei für einen, zwei für einen, gefällt mir gut, der Slogan.“ – „Aber neulich, Kurt, hab' ich was in der Werbung gehört, klang auch nicht schlecht, Sixpack hieß das. Vielleicht sollten wir demnächst ein Modell für Arbeitslose entwickeln.“ Ja, klar: sechs auf einen Streich. Vera Gaserow
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