■ Querspalte: Merkel wird Lobbyistin
Fast wäre die Luft weggeblieben. Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU), einst Gastgeberin des Klimagipfels, bewirbt sich um den Posten der Hauptgeschäftsführerin beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Die Bewerbungsunterlagen (mit Lichtbild) liegen der taz vor.
Die Ministerin geht dabei offensiv vor. Im Anschreiben an die Autobosse heißt es: „...habe ich maßgeblich dazu beigetragen, höhere Energiesteuern zu stoppen. Gemeinsam mit den Ministerpräsidenten Schröder (SPD), Stoiber (CSU) und Teufel (CDU) ist es mir gelungen, eine weitere Verteuerung des Straßenverkehrs abzuwenden. Erst in der vergangenen Woche habe ich es durch geschicktes Taktieren geschafft, Ihnen unnötige Innovationen beim Spritverbrauch Ihrer Fahrzeuge zu ersparen. In Absprache mit den Kollegen aus Großbritannien und Frankreich gelang es, die europaweite Einführung des 5-Liter-Autos auf das Jahr 2010 zu verschieben.“
Merkel hat fein säuberlich ihre Zeugnisse von der Oberschule, der Universität, als Wahlkampforganisatorin des Wolfgang Schnur und schließlich als Frauenministerin beigelegt – eine Frau mit ausgeprägtem technischen Verständnis, wie ihr letzter Arbeitgeber bestätigt.
Merkel hat dem Vernehmen nach gute Chancen, den Job zu bekommen. Kanzler Kohl könnte die Autobosse, die immer noch über die Dienstwagensteuer vergrätzt sind, für sich einnehmen, indem er seine beste Ministerin für die Branche abstellt. Und der Verband hat schließlich schon bei Merkels Vorgängerin im Amt bewiesen, daß er Frauen aus dem öffentlichen Dienst schätzt. Erst Frau Emmerich, die Chefin des Kraftfahrtbundesamtes, und jetzt die Bundesumweltministerin, das kann der VDA nach außen als moderne und kreative Personalpolitik verkaufen.
Einzig die Frage der Nachfolge ist noch ungeklärt. Der Kanzler soll an Steffi Graf denken. Hauptvorzug: Die weiß, wann sie den Mund zu halten hat. Hermann-Josef Tenhagen
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen