■ Querspalte: Ganz normal pervers
In der fünften Klasse saß vor mir Per- Christian Hofer, ein Mitschüler, dessen Name in einem prollig-ländlichen Vorort Hamburgs ohnehin provozierend wirkte. Hinzu kam, daß Per reichlich Segelohren hatte und ein vorspringendes Gebiß, vor das, obwohl sein Vater Zahnarzt war, seltsamerweise nie eine Spange geklemmt wurde. Da Hofer gern zuerst was wußte, war für alle bald klar, was er verdient hatte. „Da kommt Charles, das Pferd!“ rief auch ich fröhlich, um flugs in lautes Wiehern auszubrechen, wenn er das Klassenzimmer betrat.
Heute, moralisch gereift und sowieso um einiges smarter, weiß ich, daß wir Charles unrecht taten. Allein, das englische Volk scheint noch nicht soweit zu sein. Die erste Umfrage nach dem royalen Ehecrash offenbart, daß man auf der Straße für die Ecken und Kanten des Königssohns, die heute bekanntlich den Namen Camilla Parker-Bowles tragen, kein Verständnis hat. 79 Prozent sind laut dpa gegen eine „Queen Camilla“, und 54 Prozent meinen, daß auch Charles seinen Hintern nicht auf den Thron schieben darf, wenn er die 49jährige ehelichen sollte, denn die ist „wegen ihres verbissenen Blicks, ihrer unvorteilhaften Frisur und langweiligen Kleidung“ (AFP) auch bei der Presse unbeliebt.
Wie öde: Statt die Skurrilität der Angebeteten – immerhin typically English – herauszustellen, soll Charles seiner Jugendliebe jetzt sogar einen Benimmkurs nach dem Motto „Welches Lächeln paßt zur gelben Bluse?“ verordnet haben. Dabei würde doch eine Konfektionsadlige überhaupt nicht zu den anderen Buckingham-Outlaws passen. Die Tage, in denen Elizabeth als dunkler Grace-Kelly-Verschnitt durchging, sind vorbei, und nur zu deutlich beweist die Queen in den 90ern, daß auch höchster Adel nicht vor Wasser in den Beinen gefeit ist. Und könnte die Lage nicht viel trostloser sein? Schließlich ist und bleibt Charles, verglichen mit dem amerikanischen Königssohn des Pop, der sich auf Affen und kleine männliche Teenager spezialisiert hat, ein ganz normaler Perverser. Claudia Thomson
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