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■ QuerspalteLohnpforte für Altlinke

„20 Prozent weniger Lohn für Kranke. Haben die einfach so durchgesetzt in Bonn, unglaublich. Die Zeiten werden wirklich härter. Da können meine Leute froh sein, daß wir so ein sozialer Laden sind. Wirklich. Nur mal so als Gedankenspiel: Rein rechtlich gesehen könnten wir jetzt auch mit der Kürzung anfangen. Tarifvertrag gilt bei uns nicht, Betriebsrat haben wir auch nicht. Brauchen wir auch nicht, bei dem Klima. Da könnte ich Ernst machen. So wie Peter, der seinen Mädels in der Arztpraxis erklärt hat, aus Kostengründen und so weiter kürzt er bei der Lohnfortzahlung. Aber nee, ich kann das nicht bringen.

Durchrechnen kann man es natürlich mal, theoretisch. 20 Prozent weniger pro Krankentag, das macht bei Britta 50 Mark weniger am Tag, wenn sie mal wieder ihren Hexenschuß hat. Was übrigens ein bißchen oft vorkommt in letzter Zeit. So alt ist sie doch noch gar nicht. Für eine Woche Hexenschuß müßte sie dann einen Urlaubstag drangeben. Das wär' eigentlich zu verkraften. Wo unsere Leute am Ende des Jahres immer noch soviel Urlaub übrig haben.

Wenn man ganz sachlich an die Sache rangeht, ohne Ideologie, dann wäre das nicht unsozial. Wir verrechnen die Krankentage mit unseren Zeitkonten. Da könnte keiner was dagegen sagen. BMW und Siemens wollen es genauso machen, und die wurden in der Presse als besonders sozial gefeiert. Aber wie erkläre ich es meinen Leuten? Wir sind nicht die Deutsche Bank, die hat's gut, macht ein Gespräch mit dem Betriebsrat und dann: ratzfatz! Was wird Britta sagen, die glaubt doch immer, wir sind 'ne Art WG. Wäre aber vielleicht eine Gelegenheit, mit dem sentimentalen Quatsch mal aufzuräumen. Morgen rede ich mit Werner ...“

Auszug aus dem inneren Monolog des Manfred R., 43 Jahre alt, Mitinhaber eines Architekturbüros mit zehn Angestellten, bartlos, Grünen-Wähler, ehemaliger Mitbegründer eines lokalen Selbsthilfenetzwerks über das neue Lohnfortzahlungsgesetz im allgemeinen und im besonderen. Barbara Dribbusch

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