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■ QuerspalteAlt, dick und doof

Nein, MDR-Chef Reiter fährt nicht Mercedes. Daran kann es also nicht liegen. Er fährt Rollstuhl oder BMW. Und trotzdem ist sein Mitteldeutscher Rundfunk die erste öffentlich-rechtliche Anstalt, die ihren MitarbeiterInnen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 Prozent kürzt. Wer sich den ostdeutschen Heimatsender gelegentlich in seine Stube holt, den kann diese Nachricht kaum erschüttern. Erweckt doch das Programm dieser Dreiländeranstalt mit dem lockeren Sackschutzlogo den Eindruck, als säßen die Verantwortlichen bereits seit dem letzten deutschen Grand-Prix-Gewinn als Taschengeld empfangende Pflegefälle in der Radebeuler Geriatrie.

Doch eine solche Unterstellung ist ebenso snobistisch wie alten- und arbeitnehmerfeindlich und führt am eigentlichen Problem vorbei. Ist doch das von den über 2.100 MDR-Mündern täglich in die mitteldeutschen Bildschirme gekübelte Programm deutschlandweit eines der erfolgreichsten. Laubgesägte Low-budget- Produktionen erreichen hier Marktanteile, wie sie im Altbundesgebiet allenfalls nur noch die Liveübertragung einer kollektiven Schändung des TV-Serienkommissars Rex durch die Regensburger Domspatzen einfahren würde.

Das Erfolgsrezept des MDR heißt rücksichtslose Exhumierung. Alles, was irgendwann einmal sein Gesicht aus einem Ostfernseher stecken durfte, wird hier schonungslos vor die Kamera getrieben. Egal, wie alt, wie dick oder wie doof, Hauptsache Ost und der schwarz-westelbischen Führungsriege treu ergeben.

Solche Mitarbeiter streiken nicht, eher feiern sie die Rückverschraubung sozialer Leistungen auf ein vorrevolutionäres DDR-Niveau mit Rotkäppchensekt als Anerkennung ihrer ranzigen Ostidentität. Und auch um Reiter muß man sich nicht sorgen. Sollte er mit seinem Vorstoß wirklich auf die Fresse fallen, hat er endlich freie Hand. Dann kann er tun, was er ohnehin schon immer wollte: den MDR privatisieren und als Super Illu-TV an die Werbewirtschaft überführen. Carmen Menzel

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