■ Querspalte: Das wüste All
Da schwebt sie im Weltraum. Filigrane Wolkenstrudel, ozeanisches Blau und näher dran erkennbar: wuchernde Pflanzengürtel. Bunte Kugel in gefährdeter Pracht – die Erde. Doch einigen, scheint's, wird diese Üppigkeit zur Last. Sie interessiert mehr die Kargheit der Nachbarplaneten. Sie träumen vom Leben auf anderen Gestirnen in Form vereister Bakterien oder als lunarische Michelin-Männchen. Nach Armstrongs klein-großem „Schritt für die Menschheit“ bestimmen wieder Astrophysiker und Raumfahrtechniker, wie die Sehnsucht heißt. Jetzt haben Satelliten einen Eiskrater am Südpol des Mondes erspäht, „doppelt so groß wie Zypern“ (dpa). Nur ohne Palmen. Das 3,6 Milliarden Jahre alte Tiefkühleis von minus 200 Grad soll als Basis für Kolonien dienen: Energielieferant, Wasserreservoir und gigantische Sauerstofflasche in einem. Und die Marssonde Pathfinder wird nach ihrer Landung kommendes Jahr am 4. Juli – Independence Day! – den Mars nach DNA- Strängen abgrasen. Wenn's da mal Gras gäbe.
Alles Banane? Die Captain Kirks des 20. Jahrhunderts sehen das anders. Chef- Lunatiker Wubbo Ockels, ESA-Projektleiter von Euromoon 2000, treibt seine Sehnsucht hoch hinauf. Die Raketenonkels wittern ihre Chance. Pleiteeuropa soll Milliarden blechen für einen Ausflug zur Mondeisbahn. Heute Mikroben auf dem Mars, morgen Viren auf der Venus, übermorgen Pilze auf Pluto. Die Industrie grient ihr feinstes Lobbygrinsen.
Laßt die ariden Visionäre doch gesponsert hinaus. Zur Amöbensuche auf Triton, zum Erzabbau auf Uranus. Und der Mond, welch wunderbares Abschiebegestirn. Ein Trabbi für interplanetare Phantasten – farblos und unverwüstlich. Ist nicht der Einöde höchstes Ziel? Das Lavameer des Merkur, die Schotterhorizonte auf dem Mars, die Methansteppen von Jupiter. Dazwischen Millionen Kilometer frostiges Nichts. Kosmische Eskapisten erwärmen sich dafür. Mit Nietzsche rufen wir ihnen von hier unten zu: Wehe dem, der Wüsten in sich birgt – die Wüste wächst! Claudia Karstedt
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