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■ QuerspalteHasen werden geopfert

Ruhig schnurrt Ihr Mittelklassewagen eine schnurgerade Bundesstraße entlang. Da! Unter der rechten Leitplanke hoppelt plötzlich ein Hase hervor, hoppelt auf die Straße, schaut Sie an mit seinem süßem Hasengesicht.

Sie ziehen sofort den Wagen nach links, geistesgegenwärtig, aber doch etwas zu ruckartig. Das Fahrzeug kommt von der Fahrbahn ab, überschlägt sich und bleibt im Straßengraben liegen. Totalschaden.

Was tun? Der Hase ist gerettet, aber ganz so teuer hätte es nun doch nicht sein müssen. Sie also gehen zu Ihrer Versicherung. Ohne Erfolg, diese sieht nicht ein, warum sie für Ihre riskante Hasenrettung einstehen soll.

Die herzlose Versicherung hat recht entschieden. Dies befand kurz vor Weihnachten der Bundesgerichtshof (Az.: IV ZR 321/95) in einem ebenso herzlosen Urteil: Wer aus Tierliebe einem Hasen ausweiche, verdiene Zustimmung, aber keinen Schadensersatz.

So ein Richterspruch kann nur kurz vor dem Christfest gefällt werden. Während alle Welt sich Sorgen um Rentiere und Engel macht, werden Hasen zu schutzlosen Tieren erklärt. Das haben sich die hasenvergessenen RichterInnen geschickt ausgedacht. Oder wäre im gesellschaftlichen Klima der Osterzeit ein solches Urteil möglich gewesen? Natürlich nicht.

Ihnen als HasenliebhaberIn bleibt da nur eins: Sie müssen glaubhaft versichern, daß Sie den Hasen für ein Rentier gehalten haben. Dann nämlich hätten Sie ausweichen dürfen und auch noch den Schaden von der Versicherung ersetzt bekommen. Warum aber werden die robusten Rentiere von unserer Rechtsordnung so unendlich besser geschützt als die zierlichen Häslein? Weil Sie Geschenke transportieren und damit den Standort sichern?

Falsch. Geschützt wird nämlich nicht das Rentier, sondern ihr Auto, dem die schwerwiegende Kollision mit einem Hasen einfach besser bekommt als die mit einem sperrigen Rentier. So banal und grausam ist unsere Rechtsordnung. Christian Rath

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